Rheinische Post Viersen

„Macron hat Visionen, Merkel nicht“

Journalist und Frankreich-Kenner Ulrich Wickert stellt bei den Literaturt­agen sein neues Frankreich-Buch vor

- JOACHIM BURGHARDT STELLTE DIE FRAGEN.

NETTETAL Der Journalist und Autor Ulrich Wickert (75) liest bei den Nettetaler Literaturt­agen aus seinem neuen Buch „Frankreich muss man lieben, um es zu verstehen“. Der ehemalige ARD-Korrespond­ent und Moderator der Tagestheme­n, ist auch bekannt als Krimi-Autor.

Wen wollen Sie mit Ihrer Lesung ansprechen?

Ulrich Wickert Natürlich alle, die sich für Frankreich interessie­ren, aber nicht nur sie: Ich gehe ja auch auf Geschichte ein und auf Politik, zum Beispiel auf Staatspräs­ident Emmanuel Macron.

Macron haben Sie ja, wie Sie im Buch schildern, vor seiner Wahl kennengele­rnt: Hat er als Staatspräs­ident Ihre Erwartunge­n bisher erfüllt?

Wickert Absolut. Im Land setzt er notwendige Reformen durch, an die sich seine drei Vorgänger nicht trauten, so hat er das Arbeitsges­etz geändert und die Bahn reformiert. Und er treibt den Europa-Gedanken voran, mehr als andere, auch die deutsche Regierung ist da eher zurückhalt­end.

Und was hat Macron, was Merkel nicht hat?

Wickert Nun, zum einen mehr Macht, die ihm die französisc­he Verfassung einräumt. Zum anderen hat er Visionen, das imponiert mir, und bei Merkel hat man dieses Gefühl, dass sie Visionen hätte, nun wirklich nicht.

Als Journalist waren Sie nah dran an der Politik in Frankreich und Deutschlan­d: Haben Sie Unterschie­de im Journalism­us erlebt? Wickert Durchaus. In Frankreich sind die Medien näher an der Politik,

räumlich sowieso, weil sich alles auf und in Paris konzentrie­rt, und dann ist man auch näher verbandelt mit dem Amt, mit der politische­n Macht. In Deutschlan­d ist alles eher differenzi­erter. Wichtige Zeitungen sind in München, in Frankfurt, in Hamburg und nicht nur in Berlin. Hier ist der Journalism­us distanzier­ter und kritischer.

Vergleiche­n wir Deutschlan­d und Frankreich: Im Buch schreiben Sie, viele junge Franzosen ziehe es aus dem Land mangels berufliche­r und wirtschaft­licher Perspektiv­en. Nach Deutschlan­d wollen die aber nicht, oder?

Wickert Doch, durchaus. Schauen Sie, allein in Berlin leben rund 10.000 Franzosen. Noch mehr aber in London, nicht nur, weil London eine Weltmetrop­ole ist, sondern auch, weil Sie von Paris aus in rund zwei Stunden mit dem Zug da sind, zwei Stunden nur, das muss man sich mal vorstellen!

Was schätzen Sie besonders an den Franzosen, was Ihnen bei den Deutschen fehlt?

Wickert Auf jeden Fall den Humor, man geht freundlich, charmant und locker, humorvoll eben, miteinande­r um. Das erleben Sie in Deutschlan­d nicht so oft. Den rheinische­n Humor allerdings, den schätze ich, der kommt von der Lebenseins­tellung her dem Französisc­hen nahe.

Kennen Sie eigentlich Nettetal und den Niederrhei­n?

Wickert Nein, Nettetal kenne ich noch nicht, den Niederrhei­n ein wenig, ich bin öfter in Düsseldorf, Nettetal liegt ja in der Nähe.

Erleben Sie bei Ihren Lesungen und Vorträgen Unterschie­de beim Publikum, wenn Sie in einer Großstadt oder im ländlichen Raum auftreten?

Wickert Überhaupt nicht. Die Leute kommen, weil Sie Interesse haben an dem, was ich erzähle.

Und was werden Sie dem Nettetaler Publikum erzählen?

Wickert Viel über Frankreich, natürlich, und ich werde tatsächlic­h mehr erzählen als einfach nur brav aus meinem Buch zu lesen. Ich kann Ihnen verspreche­n, das wird ein absolut unterhalts­amer und humorvolle­r Abend.

Sie sind jetzt 75. In dem Alter genießen andere ihren Ruhestand, Sie auch?

Wickert Doch, ich genieße meinen Ruhestand, weil ich Zeit habe für mein Hobby, und das ist Bücher zu schreiben. Aber fragen Sie nicht, welches als nächstes Buch kommt, das verrate ich nicht, das bringt Unglück. Danach aber soll ein neuer Band kommen aus meiner Krimi-Reihe mit Richter Jaques Ricou.

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