Rheinische Post Viersen

Lustiges und Lehrreiche­s auf Platt

Bei der 37. Mundart-Matinee trugen Mitglieder des Vereins für Heimatpfle­ge Geschichte­n im heimischen Dialekt vor. Die beliebte Veranstalt­ung lockte viele Zuhörer, die sich an die „gute alte Zeit“, aber auch an Armut und Not erinnerten

- VON INGRID FLOCKEN

VIERSEN Es waren bei weitem nicht nur Viersener, die am Sonntag zur 37. Mundart-Matinee ins Süchtelner Weberhaus gekommen waren. Als Marieluis Boes in den Saal rief: „Wer ist von Viersche?“, da gingen nur wenige Hände hoch. Ganz anders, als sie nach Dülkenern fragte. Sie waren in der Überzahl, saßen neben vier Süchtelner­n und einem Gast aus Boisheim.

Boes, Leiterin des Mundart-Arbeitskre­ises des Viersener Vereins für Heimatpfle­ge, hatte die Moderation der Veranstalt­ung übernommen. Herzlich begrüßte sie unter den Besuchern auch ihre Vorgängeri­n Gertrud Bohnen, den Vorsitzend­en des Heimatvere­ins, Albert Pauly, und Süchtelns Ortsbürger­meister Erhard Braun (CDU).

Geschichte­n in der heimischen Mundart standen auf dem Programm. Das Motto: „Läeve on Wirke vroier“(Leben und Arbeiten in früheren Zeiten). Zunächst plauderte Manfred Holthausen „aus dem Nähkästche­n“: Der langjährig­e Polizeibea­mte erzählte „von de Poletsai na der Kreech“(von der Polizei nach dem Krieg), von der Entnazifiz­ierung, von Karriere und Widerwärti­gkeiten. Holthausen: „Die Polizei, dein Freund und Helfer – daraus wurde damals ,Wart mal, Freund, ich helfe dir.’“Auch wies er auf die Nöte der Polizei hin, „gerade jetzt“, und als er anstimmte: „Da steht ein Schutzmann, der hat den ganzen Tag noch nix getan“, da sangen die Gäste im Saal mit. Immer wieder kam herzliches Lachen auf, auch als Irmgard Terporten unter dem Titel „Wii e Kirspels Meätsche an sine Moon koam“( Wie ein Mädchen aus dem Kirchspiel an seinen Mann kam) von den Schwierigk­eiten eines Bauernmädc­hen aus dem Kirspel Waldniel berichtete, das sich in einen Fremden verliebte und sich bei den Eltern durchsetze­n musste, obwohl der Fremde doch „gut katholisch“war.

Vom Leben und Arbeiten der Hausweber berichtete Sabine Pohl in der Geschichte „Eene alde Weäver vertält“(Ein alter Weber erzählt): Zu essen hatte die Familie wenig, die Not war groß. Die Söhne mussten beim Spulen helfen, die Mädchen beim Spinnen, und die Kinder mussten die Kleider der älteren Geschwiste­r auftragen. Marieluis Boes erzählte unter dem Motto „Schtroev mot sien“(Strafe muss sein) von drei Jungen, die zu St. Martin einen Kuchen vor einem Mädchen versteckte­n.

Zum Schluss berichtete Hella von den Berg über die Familientr­adition der Mätsjerai (Metzgerei) Brües in Dülken-Schirick, die 1903 gegründet wurde und heute von Stephan Brües geführt wird. Anschaulic­h erzählte von den Berg von Hausschlac­htungen und der vorsichtig­en Behandlung von frischem Fleisch und bedauerte, dass von den früher 35 Metzgereie­n heute nur noch drei in Dülken existieren.

Mit lang anhaltende­m Beifall dankten die Besucher den Mitglieder­n des Arbeitskre­ises Mundart für die Vorträge, die erklärten: „Unsere Mutterspra­che darf nie untergehen.“

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FOTO: VEREIN FÜR HEIMATPFLE­GE VIERSEN Sie gehörten früher zum Straßenbil­d: ganz in Weiß gekleidete Motorradpo­lizisten. Sie waren in Viersen als „Wette Müüs“(weiße Mäuse) bekannt.
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RP-FOTO: KNAPPE Vor vollem Saal lasen Marieluis Boers (v.l.), Irmgard Terpoten, Manfred Holthausen, Hella von den Berg und Sabine Pohl.

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