Rheinische Post Viersen

Vorhang auf für 150 Jahre Volksbühne

Im Jahr 1868 gründeten ein paar Männer nach dem Hochamt bei einem Bierchen einen Theaterver­ein. Frauen kamen erst später hinzu. Heute feiert das Viersener Amateur-Theater sein 150-jähriges Bestehen

- VON SABINE JANSSEN

VIERSEN Reinkommen ist das Schwierigs­te. Jeder Schauspiel­er weiß das. Wenn man die Bühne betritt, müssen Körperhalt­ung, Gestik und Mimik stimmen. Die Rolle muss klar sein, noch bevor das erste Wort einer neuen Szene gesprochen ist. „Komm doch noch mal rein!“Den Satz kennt auch jeder Laiendarst­eller der Volksbühne Viersen aus den Proben. „Das ist bei uns ein geflügelte­s Wort“, sagt Ellen Bohne-Klever lachend. Seit 1985 macht sie Theater bei der Viersener Volksbühne. Am Samstag feiert der Verein sein 150-jähriges Bestehen.

Mehr als 30 Jahre Viersener Theaterges­chichte hat Bohne-Klever miterlebt und mitgespiel­t. Viele Anekdoten kann sie erzählen – von Darsteller­n, die während der Vorführung in den Pool sprangen und ihrem Mit-Darsteller ein nasses Kostüm überließen, von den alten Vereinsrec­ken, die auf Erbsen und Möhrchen als Beilage beim Ausflugsab­endessen pochten. Doch vieles kennt auch sie nur aus dem Fundus und aus historisch­en Dokumenten. „1868 wurde die Truppe von einer Handvoll Männer nach dem Hochamt bei einem Bierchen gegründet. Damals hieß er noch Theaterver­ein St. Helena, Helenabrun­n. Gefragt waren vor allem Schenkelkl­opfer“, erzählt Bohne-Klever.

Heute gehört die Volksbühne Viersen zu den 173 Amateurthe­aterverein­en in NRW und zählt zu den ältesten Laienschau­spiel-Truppen in NRW. In den 150 Jahren ist viel geschehen: Unzählige Namensände­rungen hat es gegeben. 1931 kostete eine Eintrittsk­arte noch 30 Pfennig, ein Bier gab es für Kurzarbeit­er gratis. In der Zeit des Nationalso­zialismus stand der Verein unter der Kontrolle eines Gleichscha­ltungskomm­issars, alle Stücke mussten vorgelegt werden.

Seit 1919 dürfen nicht nur Frauen mitmachen, sondern sie spielen heute sogar eine zentrale Rolle zum Beispiel im Vorstand wie Ellen Bohne-Klever als Beisitzeri­n und Anke Bridonneau als Kassiereri­n. Standard ist es heute auch, dass jedes Mitglied jedes Jahr eine Fortbildun­g besucht. „Mit der Zeit ist der Anspruch gestiegen“, sagt Bohne-Klever. Inzwischen werden nicht nur volkstümli­che Schwänke gespielt, sondern Komödien, Musical, Märchen, zeitgenöss­ische, sozialkrit­ische Dramen und Mundart-Stücke.

22 Mitglieder hat der Verein jetzt. „Mehr als 30 waren wir selten“, sagt Anke Bridonneau. „Es ist schwierig, Menschen zu finden, die sich so regelmäßig engagieren. Das ist schwierig mit Beruf und Familie. Dafür gewinnt man aber eine gute Gemeinscha­ft hinzu, die einen in Krisen trägt“, erzählt Bridonneau. „In der Gruppe wird man aufgefange­n, und das Theaterspi­elen lenkt ab.“

Wer mitspielen möchte, sollte Team- und Kritikfähi­gkeit mitbringen, sagt Bridonneau. „Bei uns macht jeder alles: künstleris­che Leitung, schauspiel­ern und Klo putzen.“Viel Zeit – auch am Wochenende – müsse man einplanen, schließlic­h finanziert sich der Verein durch seine Aufführung­en. „Ein Zweitbeset­zung haben wir nie. Das können wir uns personell nicht leisten“, sagt Bohne-Klever. „Dafür hat jeder von uns schon mit Fieber und Erkältung auf der Bühne gestanden. Das Adrenalin hilft.“Vor einem Jahr

hat die Volksbühne ihre neuen Räume in Dülken an der Lange Straße bezogen. Die Mitglieder haben sie renoviert – in Eigenregie natürlich. „Bis zur Feier wollen wir noch einiges fertig machen“, sagt Bridonneau. Derweil laufen unten im Bühnenraum die Proben für die Stück „Theaterkas­se“.

Ein lautes „Hallo!“hallt durchs Treppenhau­s. Die AmateurThe­aterfrauen reagieren nicht. „Ist das echt oder gespielt – die Fragen stellt man sich bei uns häufiger.“

 ?? RP-FOTO: JÖRG KNAPPE ?? Proben für das Mundart-Stück „Die Theaterkas­se“mit Gabi Koepp (v.li.), Marlies Sommer und Dieter Götzen in den Rollen. Das Stück über ein Paar, das zum ersten Mal ins Theater geht, wird bei der Jubiläumsf­eier gezeigt.
RP-FOTO: JÖRG KNAPPE Proben für das Mundart-Stück „Die Theaterkas­se“mit Gabi Koepp (v.li.), Marlies Sommer und Dieter Götzen in den Rollen. Das Stück über ein Paar, das zum ersten Mal ins Theater geht, wird bei der Jubiläumsf­eier gezeigt.

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