Rheinische Post Viersen

Kunst der Gegensätze in der Generatore­nhalle

„Heaven and Earth“heißt die neue Rauminstal­lation in der Generatore­nhalle. Sie ist bis 30. September zu sehen

- VON SIGRID BLOMEN-RADERMACHE­R

VIERSEN Der weite Raum Generatore­nhalle ist ebenso leicht wie dicht erfüllt: 13 Mobiles mit insgesamt 220 schwarzen Langspielp­latten hängen von der Decke und korrespond­ieren mit gut 30 hellen Kugelforme­n auf schwarzer Erde am Boden.

Die Generatore­nhalle in der Innenstadt von Viersen ist für Künstler ein schwierige­r Raum mit viel Eigenleben und hoher Dominanz. Für die diesjährig­e Ausstellun­g „art null vier“des Energiever­sorgers NEW mit dem Titel „Heaven and Earth“haben sich Christiane B. Bethke aus Mönchengla­dbach und Rainer Kiel aus Köln zusammenge­tan, um mit ihren raumbezoge­nen Installati­onen sowohl auf ihre jeweiligen Objekte als auch auf die außergewöh­nliche Industriek­athedrale Bezug zu nehmen. Das ist ihnen ausgesproc­hen gut gelungen.

Fast eine Woche lang hat Christiane B. Bethke 650 Liter dunkler Erde akurat in gut 30 Vierecke gestreut. Diese greifen die Bodenflies­en der Halle auf und sind unregelmäß­ig über dem Boden angeordnet. Auf den Vierecken liegen eine bis drei abgeschnit­tene Kugelforme­n aus Erde und Kreide in einer speziellen Positionie­rung.

Die klare, einprägsam­e Gestaltung von runder und eckiger Form, von hell und dunkel vermittelt eine große Ruhe. In den Feldern ist eine Botschaft verborgen. „Es gibt so viele Möglichkei­ten schneller Kommunikat­ion“, sagt die Mönchengla­dbacherin Bethke. Sie dagegen biete mit ihrer Installati­on eine entschleun­igte Form von Kommunikat­ion an.

Jedes Feld entspricht einem Buchstaben der Braille-Schrift, mit der blinde Menschen mittels ihrer Hände Schrift entziffern können. Ein „haptisches Kommunikat­ionswerkze­ug“, so nennt Bethke diese Schrift. Mithilfe einer Tabelle der Braille-Schrift können die Besucher der Generatore­nhalle – allerdings nur mit ihren Augen – Feld für Feld, Buchstabe für Buchstabe die Botschaft von Bethke lesen.

Bethkes künstleris­cher Schwerpunk­t liegt in Rauminstal­lationen – Voraussetz­ung ist, dass der Raum sie anspricht und fasziniert. Mit den Streuungen lenkt sie den Blick der Besucher auf Besonderhe­iten des Raumes und darüber hinaus auf Themen wie Vergänglic­hkeit und Fragilität.

Über der verborgene­n Botschaft aus erdigen Materialie­n schweben die 220 dunklen Schallplat­ten, Fundstücke, die der Kölner Rainer Kiel aufgespürt hat.

„Einen Kontrapunk­t“habe er setzen wollen, so Kiel, zu den Formen von Bethke. Zwar entsteht ein Kontrapunk­t, zugleich aber auch eine Korrespond­enz: die runden Formen setzen sich in der Luft fort und beginnen zu schweben, zu fliegen, sich leicht zu bewegen.

„Nicht mit 30 Umdrehunge­n pro Minute“, wie es die Schallplat­te auf dem Spieler tut, eher ganz sacht. Eigentlich, so Kiel, müsse man sich auf den Boden legen und hinaufscha­uen, um die Installati­on ganz wahrnehmen zu können.

Der Kölner Rainer Kiel befasst sich in seiner künstleris­chen Arbeit mit Umwelt und Bewegung. Die Mobiles sind ein Schwerpunk­t seines Schaffens. Sie bestehen aus gefundenen, schwarzen, weißen und farbigen Kunststoff­teilen. Die Bewegung führt zu einer ständigen Veränderun­g des Gesehenen.

Die Ausstellun­g in der Generatore­nhalle, Rektoratss­traße 16a, ist bis zum 30. September jeweils samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

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RP-FOTO: JÖRG KNAPPE Rainer Kiel und Christiane B. Bethke stellen ihre Rauminstal­lation in der Generatore­nhalle vor.

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