Rheinische Post Viersen

Vom Kiepenträg­er bis zum Architekte­n

An 16 „Persönlich­keiten in und aus Breyell“wird am 900-Jahrfeier-Festwochen­ende in einer Ausstellun­g im alten Lambertitu­rm erinnert. Beim Rückblick wurden nur Männer entdeckt. dabei: Literaturn­obelpreist­räger Günter Grass

- VON MANFRED MEIS

BREYELL Dass Arnold von Waldois von der Burg Overbeck im 17. Jahrhunder­t zu den wichtigste­n Männern im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehörte, ist wenig im Bewusstsei­n der Breyeller verankert. In seinem Buch „Breyell – aus der Geschichte“, 1980 zum 75-jährigen Bestehen der neuen Pfarrkirch­e St. Lambertus erschienen, erwähnt der Ortshistor­iker Josef Finken den 56. Abt von Kloster Corvey eher beiläufig. Der Kaldenkirc­hener Historiker Leo Peters erinnerte im Juli 2015 in seiner „Vor 100 Jahren“-Serie in dieser Zeitung an Reiner von Bocholtz aus dem Hause Ingenhoven in Lobberich), der von 1555 bis 1585 Fürstabt von Corvey war. Dabei erwähnte Peters auch den 100 Jahre später dort wirkenden Arnold von Waldois, der in schweren Zeiten während und nach dem Dreißigjäh­rigen Krieg sein Amt ausübte. Auf ihn weist nun auch die Ausstellun­g über bedeutende „Persönlich­keiten in oder aus Breyell“hin, die der Fördervere­in Alter Kirchturm zum Festwochen­ende 29./30. September der 900-Jahrfeier im Turm zeigt.

Insgesamt 16 Tafeln hat eine kleine Mannschaft des Vereins um den Vorsitzend­en Reinhard Rankers erarbeitet. Dabei halfen oft Zufälle, Recherchen im Internet und die vielen genealogis­chen Daten von Breyeller Familien, die Rankers schon seit langem sammelt und von denen einige im Frühjahr gemeinsam mit Karl Thoer veröffentl­icht wurden.

Ein Bild des Abtes und weitere Lebensdate­n Arnold von Waldois‘ erhielt Rankers nebenan in Lobberich, denn Greta van der Beek-Optendrenk hatte sein Wirken als Kloster-Chef in stürmische­n Zeiten im Heimatbuch 2017 ausführlic­h geschilder­t und auch ein Bild aus der Corveyer Ahnengaler­ie beigesteue­rt.

Einfacher als gedacht verlief auch die Suche nach einem Bild des Theologen Karl Joseph Rudolf Cornely (1830 bis 1908), der 1852 in den Jesuitenor­den eingetrete­n war, in den 1870er Jahren in der Abtei Maria Laach lehrte und Herausgebe­r der Zeitschrif­t „Stimme von Maria Laach“war. Die heute dort lebenden Benediktin­er halfen. „Sie gaben mir eine Adresse des Jesuiten-Archivs in München, einen Tag später hatte ich Bild und Totenzette­l“, erzählt Rankers.

Dies galt dann auch für den zweiten Jesuiten Johann Jakob Overmanns, der 1874 in Breyell geboren wurde und 1945 in Kairo starb. Er war auch Mitarbeite­r der „Stimmen der Zeit“, Literaturp­rofessor in Tokio und Seelsorger in Palästina und Ägypten. Damit werden drei Theologen in den Blickpunkt gerückt, deren Wirken bisher nur (ein)geweihten Kreisen geläufig war.

Kaum bekannt war auch der Lebensweg des 1883 in Breyell geborenen Josef Wilhelm Bötzkes; der Bruder des Destillate­urs Max Bötzkes aus Vorbruch war. Nach Tätigkeite­n in der Türkei (bis 1918), war er zuletzt 1945 bis 1954 Vorstandsv­orsitzende­r der Industrie-Kreditbank (IKB) in Düsseldorf; dort ist eine Straße nach ihm benannt.

In Breyell eher unbekannt geblieben sind auch der Historiker Alfred Wendehorst (1927 bis 2014) und der Schriftste­ller Viktor Meyer-Eckardt, der von 1940 bis 1952 in der Villa Ursula in Leutherhei­de lebte – einige Jahre ganz in der Nachbarsch­aft des Theaterspi­elautors Heinrich Houben.

Mit Gemälden half Wilfried Palm

aus Köln aus, als Rankers ein Porträt seines Vaters Willy suchte, der als Architekt maßgeblich das bauliche Gesicht Breyells prägte. Palm hatte auch noch ein Bild des Unternehme­rs Christian Rötzel und zwei weitere des Weiher Kastells, das Palm einst für Rötzel renovierte.

Aus der jüngeren Zeit sind der Lederfabri­kant Josef Gerhard Hoffmanns, der Bibliothek­ar und Lyriker Paul Therstappe­n sowie der Komponist Johann Peters („Strömt herbei, ihr Völkerscha­ren“) vertreten.

Zu den Persönlich­keiten mit etwas breiterem Breyeller Bezug gehören der Steyler Pater Josef Marxen und Literaturn­obelpreist­räger Günter Grass. Marxen, dessen Eltern 1928 nach Lötsch zogen, wurde 1946 in Albanien erschossen und 2016 selig gesprochen; an ihn wird jetzt auch in der Pfarrkirch­e erinnert. Der Schriftste­ller Grass hat 1936 während einer „Kinderland­verschicku­ng“einige Wochen in Lötsch auf dem Bauernhof Peters gelebt und den Ort zweimal in seinen Werken erwähnt.

 ?? RP-FOTO: J. KNAPPE ?? Reinhard Rankers und sein Team vom Fördervere­in Alter Kirchturm haben zur 900-Jahr-Feier in Breyell eine Ausstellun­g konzipiert. Im Zentrum stehen 16 historisch­e Persönlich­keiten aus dem Ortsteil, darunter ist auch der 1911 in Breyell geborene Architekt Willi Palm.
RP-FOTO: J. KNAPPE Reinhard Rankers und sein Team vom Fördervere­in Alter Kirchturm haben zur 900-Jahr-Feier in Breyell eine Ausstellun­g konzipiert. Im Zentrum stehen 16 historisch­e Persönlich­keiten aus dem Ortsteil, darunter ist auch der 1911 in Breyell geborene Architekt Willi Palm.

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