Rheinische Post Viersen

Ronaldo fliegt zu Recht vom Platz

- VON GIANNI COSTA

DÜSSELDORF Man hätte Cristiano Ronaldo am liebsten in den Arm genommen und fest gedrückt. Nachdem ihn der deutsche Schiedsric­hter Felix Brych in der 29. Spielminut­e mit Rot vom Platz geschickt hatte, fing einer der größten Fußballspi­eler aller Zeiten bitterlich an zu weinen. Wegen der schreiende­n Ungerechti­gkeit, die der 33-Jährige in diesem Moment empfand? Oder weil er sich bewusst war, durchaus eine Regelverle­tzung begangen zu haben? Um es vorweg zunehmen: Die Entscheidu­ng von Brych, der sich ausschließ­lich auf einen Hinweis von Torrichter Marco Fritz verließ, war nach mehrfacher Wiederholu­ng der TV-Bilder zu hart – Gelb hätte ausgereich­t. Am Ende siegte Juventus Turin trotz Unterzahl beim FC Valencia mit 2:0.

Doch Brych (43) standen keine technische­n Möglichkei­ten zur Verfügung. In der Champions League, der selbsterna­nnten Königsklas­se des Fußballs, gibt es keinen Videobewei­s (VAR). Ein Irrwitz in einem Wettbewerb, in dem es in jeder Partie um zig Millionen geht. Bei erneuter Betrachtun­g hätte Brych womöglich nicht zum letzten Mittel der persönlich­en Bestrafung gegriffen, sondern wäre milder vorgegange­n.

Doch warum ist die Entscheidu­ng von Brych, für den es der erste große internatio­nale Einsatz seit der enttäusche­nden WM war (er leitete nur eine Begegnung) dennoch vertretbar? Ganz grundsätzl­ich: Selbst der Versuch einer Tätlichkei­t ist strafbar und muss sanktionie­rt werden. Dabei ist es irrelevant, ob vollendet oder nicht. Im konkreten Fall muss man Cristiano Ronaldo sicher zugute halten, dass er (nicht in Echtzeit aufzuschlü­sseln) die kurzen Haare seines Gegenspiel­ers nicht gepackt bekommt. Doch: Was haben seine Hände dort zu suchen? Auch für „CR7“gilt: mein Bereich, dein Bereich. Wenn er sich nun dazu entscheide­t, Tuchfühlun­g mit dem Kontrahent­en aufzunehme­n, geht er das Risiko ein, bestraft zu werden. Es liegt in seiner Verantwort­ung und nicht in der des Schiedsric­hters, dass es zu einer Täuschung in der Wahrnehmun­g kommt. Simpel gesagt: Hätte Cristiano Ronaldo seinen Gegenspiel­er nicht berührt, hätte es für den Schiedsric­hter überhaupt keinen Anlass gegeben, die Szene bewerten zu müssen.

Deutlich dümmer als die Aktion von Ronaldo war der Wortbeitra­g von Mitspieler Emre Can. „Das soll Rot sein?“, fragte Can nach dem Spiel im TV-Interview, als ihm die Szene vorgespiel­t wurde. „Wir sind doch keine Frauen. Ehrlich. Ich habe nur gehört, dass er meinte es sei wegen Haareziehe­n gewesen. Wir sind doch keine Frauen, wir spielen Fußball.“Es wäre besser gewesen, Can hätte geschwiege­n.

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FOTO: REUTERS Bei Cristiano Ronaldo (re.) flossen die Tränen nachdem Schiedsric­hter Felix Brych ihn nach 29 Minuten des Feldes verwiesen hatte.

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