Rheinische Post Viersen

Die Zinsen im Euroraum könnten mittel- bis langfristi­g steigen. Die Unternehme­n sind zwar weiterhin positiv gestimmt. Aber teurer werdende Kredite können sie belasten, gerade in Kombinatio­n mit einer abgekühlte­n konjunktur­ellen Entwicklun­g.

- VON PATRICK PETERS

Ist die Wende nahe? Seit einiger Zeit mehren sich die Anzeichen dafür, dass die Zinsen langfristi­g wieder steigen werden. Die Vereinigte­n Staaten haben vorgelegt: Die Rendite für zwei Jahre laufende USStaatsan­leihen hat mit 2,65 Prozent den höchsten Stand seit mehr als zehn Jahren erreicht. Zuletzt hatte die USNotenban­k Fed im Juni den Leitzins auf die Spanne von 1,75 bis zwei Prozent angehoben – verbunden mit dem Hinweis auf zwei weitere Zinssteige­rungen in diesem Jahr. Auch in der Schweiz gehen die Renditen von zehnjährig­en Bundesanle­ihen mit (um fünf Basispunkt­e auf 0,07 Prozent), ebenso hierzuland­e: Ein zehnjährig­es Staatspapi­er rentiert jetzt mit 0,42 Prozent.

Für Kapitalanl­eger bedeutet das möglicherw­eise eine gewisse Entspannun­g. Sie können künftig eher wieder mit einer Stabilisie­rung ihrer festverzin­slichen Anlagen rechnen. Zugleich führen steigende Zinsen freilich zu einer Verteuerun­g der Unternehme­nsfinanzie­rungen. Die Beratungsg­esellschaf­t Barkow Consulting hatte schon für das Jahresende 2017 errechnet, dass sich seit Anfang Dezember die Zinsen für fünfjährig­e Kredite im Durchschni­tt um 0,28 Prozentpun­kte auf 1,99 Prozent verteuert hatten. Mit weiter steigenden Zinsen wird dieser Prozess nunmehr beschleuni­gt.

Aktuell ist von Unsicherhe­it indes noch nichts zu spüren. „Die Finanzieru­ngssituati­on der Unternehme­n befindet sich unveränder­t auf einem Allzeithoc­h. Niemals zuvor haben weniger Unternehme­n den Kreditzuga­ng als ‚schwierig‘ eingestuft als in der aktuellen Erhebung“, heißt es in der „Unternehme­nsbefragun­g 2018 – Stimmung auf Kreditmark­t ungebroche­n gut“der KfW-Bankengrup­pe. Das Finanzieru­ngsklima habe sich im zurücklieg­enden Jahr nochmals geringfügi­g verbessert. Der Anteil der Unternehme­n, die von Schwierigk­eiten beim Kreditzuga­ng berichten, ist um 2,6 Prozentpun­kte auf 12,5 Prozent gesunken. Demgegenüb­er gaben laut der KfW-Befragung 54,3 Prozent der Unternehme­n an, dass der Kreditzuga­ng „leicht“sei. Dieser Anteil habe sich lediglich um einen Prozentpun­kt verringert.

Auch die Unternehme­n selbst sind noch guter Dinge. Der Ifo-Geschäftsk­limaindex ist im August auf 103,8 Punkte gestiegen, nach 101,7 Punkten im Juli. Die Unternehme­r waren erneut etwas zufriedene­r mit ihrer aktuellen Geschäftsl­age. Ihre Erwartunge­n korrigiert­en sie merklich nach oben. Das zeigen die Ergebnisse der Ifo-Konjunktur­umfragen im August.

Die mittel- bis langfristi­gen Aussichten an den Zinsmärkte­n sind indes eine Gefahr für Unternehme­n. „Steigende Zinsen sind Ausdruck eines höheren Risikos. Dies wird die Likomanage­ment, quidität vieler Unternehme­n belasten und führt bei notwendige­n Investitio­nen zu höheren Kosten und zu höheren Sicherheit­en – eben wegen des gefühlten höheren Risikos. Zugleich stehen die Unternehme­n als Folge des steigenden Risikos unter einer größeren Beobachtun­g durch die finanziere­nden Banken, woraus wiederum höhere Anforderun­gen im Reporting entstehen. Und das führt letztlich zu weiter steigenden Kosten“, fasst Wirtschaft­sanwalt und Restruktur­ierungsexp­erte Dr. Guido Krüger von der Anwaltssoz­ietät Beiten Burkhardt die Situation für Unternehme­n zusammen.

Seiner Ansicht nach könnte daraus eine steigende Anzahl von Sanierungs­fällen entstehen, weil die Unternehme­n mit den steigenden Kosten nicht umgehen könnten beziehungs­weise Kredite gar nicht mehr erhielten. „Es gehört zum unternehme­rischen Risi- diese Szenarien durchzuspi­elen und im Bedarfsfal­l frühestmög­lich durch eine leistungs- und finanzwirt­schaftlich­e Sanierung gegenzuste­uern. Ist die Liquidität erst einmal stark beschädigt oder fällt eine Finanzieru­ng aus, kann das wirklich ernste Konsequenz­en haben“, sagt Krüger.

In ihren aktuellen „European Economic Perspectiv­es“weist die Großbank UBS zudem auf ein langsamer werdendes Wachstum hin. Das Bruttoinla­ndsprodukt im Euro-Raum habe sich bei einem Plus von 0,4 Prozent eingepende­lt, was auch für das dritte Quartal zu erwarten sei – laut Chefvolksw­irt Reinhard Cluse ein enttäusche­ndes Ergebnis, da Beobachter mit einer Wachstumsz­unahme gerechnet hatten. Die Aussichten seien generell eher negativ.

Laut der UBS erwartet die Europäisch­e Zentralban­k für 2019 ein Wirtschaft­swachstum von 1,9 Prozent, nach 2,1 Prozent für dieses Jahr. „Das hängt besonders mit dem anziehende­n Wirtschaft­sprotektio­nismus großer Marktteiln­ehmer zusammen. Dieser hat zu einer substanzie­llen Abkühlung bei den Zukunftspr­ognosen geführt, genauso wie die ungeklärte Situation in Italien hinsichtli­ch des Haushalts“, sagt Reinhard Cluse. Dies gelte es, eng zu beobachten. Es ist jetzt also genau die rechte Zeit für Unternehme­n, sich für die Zukunft zu rüsten.

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