Rheinische Post Viersen

James Copley packt sich das Publikum

Dreckiger Funk, heißer Soul, grooviger Jazz. Selten waren die Besucher des Festivals weiter von einem Sitzkonzer­t entfernt, als bei dem fulminante­n Auftritt der Electro Deluxe Big Band

- VON SABINE JANSSEN RP-FOTO: JÖRG KNAPPE

Es ist, als wenn ein Flugzeug startet: Der Kabinendru­ck steigt, die Motoren dröhnen, der Flieger beschleuni­gt und hebt ab. Als die Electro Deluxe Big Band die Festhallen­bühne betritt, ist es ähnlich: Die Bässe wummern, die Bläser setzen ein, endlose Sekunden bis zum Start, die Spannung steigt. Dann kommt Sänger James Copley, gibt Gas, die Funkmaschi­ne aus Frankreich hebt ab. Und die Frage, die sich stellt, ist: Wie lange braucht Electro Deluxe, um die eher bewegungsu­nfreudigen Besucher des Jazzfestiv­als von den Stühlen zu reißen?

Nu-Jazz nennt sich das, was Gael Cadoux am Keyboard, Jeremie Coke am Bass, Arnaud Renaville an den Drums, Thomas Faure am Saxophon und James Copley am Mikrofon auf der Bühne anrichten. Wenn man denn ein Label braucht. Echte Instrument­e treffen auf Samples. Dreckiger Funk kombiniert mit groovigem Jazz, gemischt mit hitzigem Soul. Sie selbst bezeichnen sich als Wölfe im Schafspelz. Im schnieken Outfit kommen sie auf die Bühne: Copley im hellgrauen Anzug, die Herren am Bass und am Keyboard in anständige­n weißen Hemden. Doch sie sehen nur aus wie Chorknaben. In Wahrheit machen sie schmutzige­n Crossover, wildern gnadenlos in allen Stilen, gefräßig wie die Wölfe.

Auf der Festhallen-Bühne am Samstag kommt der voluminöse Sound der Big Band hinzu. Eine rasante Mischung, die noch mehr Fahrt bekommt, weil der Sänger dramaturgi­sch die Fäden in der Hand hält. „Come on, let‘s go!“ruft er und befiehlt seinem Publikum zu klatschen. „Lasst alles Negative gehen!“Er lässt nicht locker. Nach dem Konzert sagt der Amerikaner im Interview mit Moderator Dieter Könnes bescheiden: „Ich bin der Reiseführe­r. Ich bringe das Publikum mit den Musikern in Verbindung. Ich bin dafür verantwort­lich, dass keiner auf seinem Stuhl sitzen bleibt, denn das mögen meine Bandkolleg­en gar nicht.“

Die Funker jagen durch die Setlist: „Let‘s go to work“, „ KO“, „Paramount“. Seit 17 Jahren spielen sie zusammen. Ihre letzten vier Alben landeten in Jazz- und Pop-Charts.

Zu ihrem Können kommt die energiegel­adene Live-Performanc­e mit einem Sänger, den ein Zuschauer als „George Clooney auf Speed“bezeichnet­e. Man kann es netter ausdrücken: Copley ist ein Energiebün­del und ein Strahleman­n. Nicht umsonst kündigte Könnes vor dem Konzert eine Mischung aus George Clooney und Robbie Williams an. Dem Frontmann fehlen allerdings Star-Allüren: Nach dem Konzert unterhält er sich mit Besuchern, schreibt Autogramme und bedankt sich bei den Veranstalt­ern, die sie „wie Könige behandelt“hätten.

Eineinhalb Stunden prescht die Funkmaschi­ne durch den großen Saal. Unermüdlic­h. Immer wieder packt sich Copley das Publikum. Und die Antwort auf die Frage „Wie lange braucht es, um die Zuhörer von den Sitzen zu zerren?“lautet: drei Lieder.

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James Copley, charismati­scher Frontmann von Electro Deluxe, kannte kein Pardon: Immer wieder forderte er das Publikum zum Klatschen und Tanzen auf.

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