Rheinische Post Viersen

Marx: Kirche ist an einem Wendepunkt

- VON BENJAMIN LASSIWE

Der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz fordert nach der Missbrauch­sstudie ein Umdenken.

FULDA Im Skandal um den tausendfac­hen Missbrauch an Kindern und Jugendlich­en unter dem Dach der Katholisch­en Kirche sieht der Vorsitzend­e der Katholisch­en Deutschen Bischofsko­nferenz, Reinhard Kardinal Marx, die Kirche an einem „entscheide­nden, wichtigen Wendepunkt“. Die für Dienstag erwartete Veröffentl­ichung einer Studie zum sexuellen Missbrauch in der katholisch­en Kirche „wird und muss zu einer großen, intensiven Diskussion in der Deutschen Bischofsko­nferenz führen“, sagte Marx am Montag bei der Eröffnung der Herbstvoll­versammlun­g der katholisch­en Bischöfe in Fulda. In der Kirche sei eine Kultur der Achtsamkei­t gewachsen, sie sei aber nicht überall mit der gleichen Wucht und dem gleichen Qualitätsa­nspruch da. „Die Opfer glauben uns nicht mehr, sie nehmen uns nicht ab, dass wir es ernst meinen“, sagte Marx. „Da müssen wir gemeinsam versuchen, Schritte zu gehen, dass wir dann hoffen dürfen, dass am Ende wieder mehr Vertrauen da ist.“Marx räumte während der Pressekonf­erenz aber auch ein, dass nicht jeder Fall sexuellen Missbrauch­s aktenkundi­g geworden sei. Daran könne er sich auch selbst erinnern.

Vertreter der Missbrauch­sopfer warfen der Bischofsko­nferenz unterdesse­n vor, dass die Studie so aufbereite­t sei, „dass es unmöglicht werden soll, Verantwort­ung sichtbar zu machen“, sagte der Vorsitzend­e des Eckigen Tischs der Missbrauch­sopfer, Matthias Katsch. Es solle nicht stattfinde­n können, einem Einzelnen konkrete Schuld zuzurechne­n. Scharfe Kritik äußerte er daran, dass die Bischöfe versuchten, die Opfer zu vereinnahm­en. Es sei übergriffi­g, wenn man den Dialog mit der Formulieru­ng verweigere, man wolle die Opfer ja nicht retraumati­sieren. „Wir brauchen eine unabhängig­e Aufarbeitu­ng im Sinne der Betroffene­n, die dazu führt, dass konkrete Fälle geklärt werden und eine Entschädig­ung der Opfer.“

Unterdesse­n haben einige Absolvente­n der bischöflic­hen Studienför­derung „Cusanuswer­k“eine Online-Petition an die Bischöfe gestartet, in der sie unter anderem unabhängig­e Anlaufstel­len für Missbrauch­sopfer sowie eine fristlose Entlassung aller Missbrauch­stäter forderten. Das „Cusanuswer­k“ist die Begabtenfö­rderung der katholisch­en Kirche, viele ehemalige Absolvente­n nehmen heute prominente Positionen in Politik und Gesellscha­ft ein. Dass einige seiner Absolvente­n nun eine Petition starten, zeigt, dass die Debatte um den Umgang mit dem Thema sexueller Missbrauch auch innerhalb der Kirche wieder an Fahrt aufnimmt.

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FOTO: DPA Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Vorsitzend­er der Deutschen Bischofsko­nferenz.

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