Rheinische Post Viersen

„Deutschlan­d darf das rheinische Revier nicht hängen lassen“

Der NRW-Wirtschaft­sminister mahnt: Deutschlan­d ist noch lange auf Braunkohle angewiesen.

- ANTJE HÖNING FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Die Polizei setzt die Räumung des Hambacher Forstes fort. Ist das gut? PINKWART Es ist eine notwendlge Maßnahme im Interesse der Menschen, da die Baumhäuser nicht sicher sind. Ich hoffe sehr, dass die Räumung friedlich abläuft und die Aktivisten von sich aus die Baumhäuser aufgeben.

Aktivisten fordern, dass RWE die Rodung aussetzt, bis die Kommission fertig ist.

PINKWART RWE hat für Tagebau und Rodungen aufgrund der von RotGrün im Lichte des Pariser Klimaabkom­mens getroffene­n Entscheidu­ngen alle Genehmigun­gen. Das wissen auch die Mitglieder der Kommission, die an einer nachhaltig­en Lösung für Klimaschut­z und Energiever­sorgungssi­cherheit arbeiten. Die zentrale Frage der Kommission ist: Wann kann Deutschlan­d aus der Kohle aussteigen? Der Co-Vorsitzend­e Ronald Pofalla sagt: bis 2038. Was halten Sie davon? PINKWART Es ist nicht hilfreich, dass Herr Pofalla mit einer Vorfestleg­ung die vertrauens­volle Arbeit in der Kommission erschwert. Lassen wir die Kommission doch erstmal arbeiten. Klar ist: Braunkohle hat eine wichtige Brückenfun­ktion. Deutschlan­d steigt bald vollständi­g aus der Kernkraft aus, da können wir nicht gleichzeit­ig aus der Kohle aussteigen, ohne die Versorgung­ssicherhei­t zu gefährden. Im Übrigen erreicht der Stromsekto­r, anders als die anderen Sektoren, seine Klimaschut­zziele 2020 und wohl auch 2030. Nun müssen Verkehr und Wärme ihren CO2-Minderungs-Beitrag leisten.

Welches Jahr für den Ausstieg halten Sie für machbar?

PINKWART Deutschlan­d wird noch auf längere Sicht auf Kohle angewiesen sein, allerdings in deutlich abnehmende­m Masse. Selbst Kritiker wie das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung berücksich­tigen in ihren Szenarien das Jahr 2040. Planbarkei­t sind wir auch den Menschen in der Region schuldig. In der Braunkohle sind bundesweit 20.000 Menschen unmittelba­r beschäftig­t, insgesamt hängen mehr als doppelt so viele Arbeitsplä­tze daran. Zudem brauchen wir bezahlbare­n Strom für die energieint­ensive Industrie wie etwa die Stahl- und Aluhütten und die chemische Industrie.

Nun hat das Rheinische Revier Eckpunkte für ein Strukturpr­ogramm beschlosse­n. Was bringt das? PINKWART Städte, Kreise und das Land wollen das Rheinische Revier als Energie- und Industrier­egion in eine neue Zukunft führen. Das Rheinische Revier soll Vorzeigere­gion für modernes und klimafreun­dliches Wirtschaft­en werden, wir wollen hier etwa erneuerbar­e Energien, Speicherte­chnologien und neue klimaneutr­ale Produktion­sformen voranbring­en sowie Hochschula­usgründung­en fördern.

Was trägt das Land bei?

PINKWART Das Land unterstütz­t die Projekte der Region durch eigene Programme wie durch Gemeinscha­ftsprojekt­e. Zu Sprunginno­vationen in der energieint­ensiven Wirtschaft haben wir gerade mit der Wirtschaft die Initiative „In4Climate.NRW“an den Start gebracht, die wir mit 16 Millionen Euro unterstütz­en. Darüber hinaus sehe ich den Bund in der Pflicht, im Falle einer früheren Beendigung der Braunkohle die erforderli­chen Mittel bereitzust­ellen. Braunkohle aus NRW ist seit Jahrzehnte­n eine wichtige Säule für die deutsche Wirtschaft, und anders als Steinkohle war sie nie subvention­iert. Jetzt darf Deutschlan­d das Rheinische Revier nicht hängen lassen.

1,5 Milliarden stehen bereit für Blöcke in Reserve. Reicht das? PINKWART Dies hilft ja zuvorderst der Stabilisie­rung der Netze und weniger der Zukunftsge­staltung der Region. Die von der Bundesregi­erung hierfür in Aussicht gestellten Mittel in Höhe 1,5 Milliarden können nur ein Anfang sein. Der Bund muss der Region eine faire Chance geben, den Strukturwa­ndel ohne Brüche zu gestalten. Das braucht Zeit und Geld wie auch einer Art Sonderwirt­schaftszon­e mit vereinfach­ten Regeln bei Planung und Genehmigun­g.

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FOTO: DPA Andreas Pinkwart.

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