Rheinische Post Viersen

Gerry-Weber-Aktie fällt ins Bodenlose

Die Nachricht, dass Banken ein Sanierungs­gutachten erstellen sollen, lässt den Börsenwert um ein Viertel schrumpfen. Das klingt existenzbe­drohend. Schuld ist nicht nur die Online-Konkurrenz, sondern auch eine strukturel­le Schwäche.

- VON GEORG WINTERS

HALLE Als Zalando vor fast genau vier Jahren an die Börse ging, war die Gerry-Weber-Aktie noch fast 30 Euro wert. Seither geht es für das Modeuntern­ehmen aus Ostwestfal­en am Aktienmark­t fast nur noch bergab. Und natürlich ist die Online-Konkurrenz in Gestalt von Zalando und Amazon daran nicht ganz unbeteilig­t. Sie ist aber nur einer der Gründe dafür, dass Gerry Weber in einer tiefen Krise steckt. Am späten Freitagabe­nd hat das Traditions­unternehme­n mit der Nachricht schockiert, dass ein Sanierungs­gutachten erstellt werden soll. Am Montag folgte die Börsen-Konsequenz: Die Aktie stürzte um etwa 23 Prozent ab, auf ein 15-Jahres-Tief von 3,13 Euro. Binnen eines Jahres hat Gerry Weber 70 Prozent seines Börsenwert­es verloren.

Wenn man nach Gründen für den Absturz des einstigen Modestars sucht, ist es weder die Online-Konkurrenz allein und auch nicht nur das Wetter. Der Sommer war zu heiß, der letzte Winter zu lau – diese Phänomene nennen die Modekonzer­ne gern, wenn es darum geht, Gründe für die Flaute im eigenen Laden zu finden. Doch den Modeverkäu­fern wird das Leben auch dadurch schwer gemacht, dass Mode als Statussymb­ol für junge Menschen nach Untersuchu­ngen der Agentur Bloomberg an Bedeutung verloren hat. Sie stecken ihr Geld lieber in Reisen oder technische Neuerungen als in Klamotten. Seit 2005 sinken in Europa die Haushaltsa­usgaben für Kleidung, wie die Statistikb­ehörde Eurostat errechnet hat.

Ohne Marktwachs­tum findet Verdrängun­gswettbewe­rb statt. Der ist hart, er wird auch im Internet geführt, aber er trifft mitnichten nur die Filialiste­n. Selbst Zalando musste jüngst eine Gewinnwarn­ung herausgebe­n. Umgekehrt hat H&M im dritten Quartal den Umschwung beim Umsatz geschafft, erzielen Unternehme­n wie die irische Billigkett­e Primark und die spanische Zara-Muttergese­llschaft Inditex, die einen deutlich schnellere­n Warenumsch­lag haben, hohe einstellig­e, mitunter sogar zweistelli­ge Margen. Dagegen kam Gerry Weber zuletzt nur auf magere 1,1 Prozent. Die Probleme in Ostwestfal­en sind also auch hausgemach­t. Gerry Weber, so urteilen Experten, habe allzu lange auf ältere Damen als Kernklient­el gesetzt, zu viele Filialen zu schnell eröffnet, das eigene Design vernachläs­sigt. Fehler des Firmengrün­ders Gerhard Weber, die Sohn Ralf jetzt als Vorstandsv­orsitzende­r ausbügeln müsse.

Auch mit dem Supermodel Eva Herzigova als Werbebotsc­hafterin war in den vergangene­n Jahren der Abwärtstre­nd nicht mehr aufzuhalte­n. Der Beleg dafür sind neben dem Absturz der Aktie ins Bodenlose die jüngsten Geschäftsz­ahlen: Der Umsatz sank im dritten Quartal des Geschäftsj­ahres 2017/18 (31. Juli) um mehr als elf Prozent auf rund 170 Millionen Euro. Der VErlust verdoppelt­e sich auf knapp elf Millionen Euro, wobei darin schon Kosten für ein laufendes Sanierungs­programm enthalten sind.

Aber das reicht nicht. Was nun? Das Sanierungs­gutachten, das in Auftrag gegeben wurde, soll bis Mitte Oktober vorliegen. Externe sollen nun die Zukunftsch­ancen beurteilen und Möglichkei­ten aufzeigen, wie Gerry Weber sich aus der Krise befreien kann. Dass das gelingt, daran mögen Börsianer offensicht­lich nicht so recht glauben. Der Analyst Roland Maul von der DZ Bank beispielsw­eise hat nach der Ankündigun­g des Sanierungs­gutachtens das Kursziel noch einmal von vier auf 2,80 Euro gesenkt. Das wären dann noch einmal zehn Prozent weniger als der Kurs von gestern. Und er behält die Empfehlung „Verkaufen“bei, wie etliche andere Analysten in den vergangene­n Monaten auch schon.

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