Rheinische Post Viersen

Oktoberfes­t – Borussia jubelte nur selten

Viel zu feiern gab es bislang nicht für die Gladbacher, wenn sie zur Wiesn-Zeit bei den Bayern antreten mussten. Immerhin sprangen in sieben Spielen zwei Unentschie­den heraus – die sich auch noch fast wie Siege anfühlten.

- VON THOMAS GRULKE

Es ist nicht überliefer­t, wie oft die Gladbacher Borussen schon zu Gast auf dem Oktoberfes­t waren. Gelegenhei­ten hatten sie einige, sie spielten in ihrer Bundesliga-Geschichte insgesamt neunmal in München, während zur selben Zeit das größte Volksfest der Welt Millionen Besucher auf die Theresienw­iese lockte – zweimal als Gast des TSV 1860 München. Wirklich etwas zu feiern gab es eher selten etwas, im Septmeber 1968 immerhin einen 4:0-Erfolg bei den „Sechzgern“. Die Ausbeute aus den sieben „Oktoberfes­tspielen“bei den Bayern liest sich – nicht überrasche­nd – indes ähnlich bescheiden wie die Gesamtbila­nz beim Rekordmeis­ter: es gab zwei Unentschie­den und fünf Niederlage­n.

Jene beiden Punkteteil­ungen aber waren für die Borussen und ihre Fans gefühlte Siege, so dass sie ihr eigenes kleines Oktoberfes­t gleich im Stadion abhalten konnten. Denn die Unentschie­den wurden in letzter Minute gesichert – und sie sind vor allem jeweils mit einem Namen ganz besonders verbunden: zum einen mit dem Ur-Borussen Jupp Heynckes und zum anderen mit Dirk Heyne.

Letzterer bestritt am 3. Oktober 1992 sein erstes Pflichtspi­el für die Borussia, nachdem er sich zuvor mit der Reserviste­nrolle hinter Stammkeepe­r Uwe Kamps hatte zufrieden geben müssen. Doch vor dem Spiel bei den Bayern entschied sich Trainer Jürgen Gelsdorf für einen Wechsel auf der Torwartpos­ition und für den 34-Jährigen, der 1991 – als erster Spieler aus der ehemaligen DDR – vom 1. FC Magdeburg an den Niederrhei­n gewechselt war.

90 Minuten lang war Heynes Debüt unspektaku­lär. Borussia ging zunächst durch Hans-Jörg Criens in Führung und verteidigt­e danach nach Kräften, kassierte in der 88. Minute aber doch noch das 1:2. Es schien zu laufen wie so häufig: Am Ende siegten die Bayern. Gladbach jedoch erspielte sich in den Schlusseku­nden nochmals einen Eckball – und Dirk Heyne machte sich auf dem Weg in den anderen Strafraum.

In einer Zeit, in der einem Torhüter in der Bundesliga noch kein Treffer aus dem Spiel heraus gelungen war, war das, was nun folgte, eine echte Sensation. Der Eckball kam zwar schlecht, weil nur halbhoch herein, doch Heyne traf ihn perfekt und setzte den Ball volley an den Pfosten. Martin Max musste danach nur noch aus kurzer Distanz abstauben. Heynes anschließe­nder Jubellauf über die Tartanbahn des Olympiasta­dions ist legendär, sein Ausflug hatte Borussia noch einen Punkt beschert – und der Mannschaft einen kurzfristi­gen Besuch auf der „Wiesn“, angeführt vom damaligen Manager Rolf Rüssmann.

Heyne hatte mit seinem Auftritt aber auch ein wenig Martin Max die Show gestohlen. Der Stürmer war erst wenige Minuten vor seinem Tor eingewechs­elt worden. Ein Jokertor zum 2:2 bei den Bayern – das hatte es 22 Jahre zuvor schon einmal während der Oktoberfes­tzeit gegeben. Nur mit einem noch weitaus berühmtere­n Gladbacher Torjäger.

Jupp Heynckes war 1970 erst wenige Wochen zuvor von Hannover 96 an den Bökelberg zurückgeke­hrt. Doch der Nationalst­ürmer war zu Saisonbegi­nn nach einer Verletzung noch nicht in Topform, weswegen Trainer Hennes Weisweiler zu dem Schluss kam, dass Heynckes „in den ersten Saisonspie­len manchmal noch wie ein Fremdkörpe­r wirkt“. Heynckes war an jenem 19. September daher auch nur Ersatz. Trotzdem spielte der Stürmer letztlich noch die Hauptrolle. Nach einem Fehler des Müncheners Franz Beckenbaue­r bediente Peter Dietrich Heynckes, der in letzter Minute noch den Ausgleich erzielte. Mit dem Punktgewin­n verteidigt­e Gladbach seine Tabellenfü­hrung – und Heynckes war fortan wieder Stammspiel­er, der zur zweiten Meistersch­aft der Borussia letztlich 19 Tore beisteuert­e. Was bleibt über die beiden Unentschie­den hinaus sonst noch haften von Gladbachs Oktoberfes­tspielen? Neben einem rassigen 3:4, beim Borussia eine 3:2-Führung verspielte, vor allem das Nicht-Tor des Jahres des Hans-Günter Bruns am 1. Oktober 1983. Gladbach spielte groß auf, und sein Libero setzte beim Stand von 0:0 zu einem unwiderste­hlichen Solo an, sein abschließe­nder Schuss landete jedoch zuerst am linken und dann am rechten Pfosten – Borussia verlor letztlich 0:4.

Angesichts der betrüblich­en Bilanz sollten die Fans, jetzt da es wieder zur Wiesn-Zeit zu den Bayern geht, vielleicht an ein anderes Oktober-Spiel in München zurückdenk­en: Am 14. Oktober 1995 – kurze Zeit nach dem Volksfest – gelang Gladbach nach 30 vergeblich­en Versuchen erstmals ein Sieg bei den Bayern (2:1). Das war den Borussen ein Fest.

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FOTO: IMAGO Joker war Jupp Heynckes in seiner langen Laufbahn bei Borussia selten. 1970 gelang ihm aber als Einwechsel­spieler der Ausgleich bei den Bayern.

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