Szenen einer belasteten Kindheit
Mit ihrem neuesten Projekt „Raumpatrouille und Memory Boy“gastierten der Schauspieler Matthias Brandt und der Jazzpianist Jens Thomas in der Festhalle — und begeisterten das Viersener Publikum.
VIERSEN Beifall gab es in der Festhalle bereits, als die avisierten Künstler noch gar nicht erschienen waren. Viele der rund 500 Besucher erinnerten sich vermutlich an das erste Gastspiel des Duos Brandt-Thomas im Herbst 2017, bei dem es mit seinem Projekt „Psycho“begeisterte.
Diesmal erzählten die befreundeten Partner von ihrer Kinder -und Jugendzeit. Jedenfalls Matthias Brandt tat dies – und zwar auf packende, manchmal amüsante, meist jedoch eher nachdenklich oder sogar betroffen machende Weise. Das alles mit der von ihm gewohnten brillanten Sprechkultur, in überzeugend authentischer Weise und doch immer sehr natürlich.
Es ist bekannt, dass die drei Söhne Willy und Rut Brandts – Matthias ist der Jüngste – als Kinder und Jugendliche zwar sehr viele Annehmlichkeiten genießen konnten, aber zumindest ihrem Vater völlig fern standen. Dieser hatte „in dem großen weißen Haus, wo wir uns immer verpassten“, so der Sohn in seiner ersten Erzählung, ein Reich mit mehreren Zimmern für sich, das normalerweise für die Kinder tabu war. Mutter Rut war sehr viel zugewandter, konnte aber kindlichen Wünschen auch nicht immer einfühlsam entsprechen.
So genoss der Brandt-Sohn den Besuch bei der zwar etwas spießigen, aber sehr aufs Miteinander bedachten Familie seines Freundes Holger. Doch nach einer durchwachten Nacht ersehnte er nichts mehr als wieder nach Hause zurück zu kommen. Der bevorstehende Geburtstag von Mutter Rut brachte Matthias auf die Idee, etwas Außergewöhnliches zu veranstalten – nicht zuletzt auch aus dem Wunsch heraus, von allen beachtet zu werden. Die diversen Versuche, die er in seinem Zimmer startete, führten schließlich dazu, dass nicht nur die Gardinen brannten. Im letzten Moment kam die Mutter ins Zimmer, und er wurde gerettet. Zu seinem Leidwesen entstand – ohne dass er gefragt worden wäre – bei der Renovierung aus seiner gewohnten und liebgewonnenen Umgebung ein kaltes„Jugendzimmer“,indemernicht mehr wohnen wollte.
Eine weitere Geschichte betraf die Schulklasse, in der es Ansgar gab, der immer von allen verprügelt wurde, weil er unfähig war, sich zu wehren. Dennoch freundete sich Matthias mit ihm an, aber die Treffen, die leider irgendwann von den Mitschülern entdeckt wurden, mussten heimlich nachmittags stattfinden.
Sehr tragisch mutete die letzte an diesem Abend vorgetragene Begebenheit an, als der noch recht kleine Junge, um etwas vorgelesen zu bekommen, durch das verlassen erscheinende Haus schlich und schließlich wagte, das geheiligte Reich des anwesenden, aber schlafenden Vaters zu betreten. Als dieser schließlich erwachte und der Sohn seine Bitte vorgetragen hatte, dauerte es noch eine ganze Weile. Doch schließlich willigte der Vater ein, und irgendwann schlief Matthias im Arm seines Vaters ein.
Die englischen oder amerikanischen Songs, die Jens Thomas - sich mal virtuos, mal sanft am Flügel begleitend – sang und in die sein Partner phasenweise einstimmte, hatten vermutlich mit dem Inhalt der Geschichten zu tun, was aber nicht auszumachen war. Die musikalische Untermalung der Erzählungen erwiesen sich teils als passend, dann aber wieder zu laut und dadurch leider störend, auch wenn Jens Thomas statt auf den Tasten zu spielen die Saiten wild zupfte.
Doch das Publikum schien Solches nicht zu stören – es feierte die beiden Künstler überschwänglich.