Rheinische Post Viersen

Bund will 100.000 Opel zurückrufe­n

Erst durchsucht­e die Staatsanwa­ltschaft Opel-Standorte, dann kündigte das Verkehrsmi­nisterium einen Rückruf von Modellen an. Der Chef der Deutschen Umwelthilf­e, Jürgen Resch, ist überzeugt: Das war längst nicht alles.

- VON FLORIAN RINKE

RÜSSELSHEI­M Als die ersten Vorwürfe gegen Opel auftauchte­n, hieß der Verkehrsmi­nister noch Alexander Dobrindt (CSU), der OpelChef Karl-Thomas Neumann und der Autobauer aus Rüsselshei­m gehörte noch zum Reich des US-Giganten General Motors. Damals, im Mai 2016, titelte der „Spiegel“: „Die Diesel-Lüge“– und enthüllte Merkwürdig­keiten bei den Opel-Modellen Zafira und Insignia. Es ging um Software-Tricks und die Frage, ob nicht nur Volkswagen, sondern auch andere Hersteller bei der Abgasreini­gung der Diesel-Motoren manipulier­en. Damals widersprac­h Opel vehement: „Unsere Software war nie darauf ausgelegt, zu täuschen oder zu betrügen.“

Ähnlich klingt das heute immer noch, denn obwohl der Verkehrsmi­nister inzwischen Andreas Scheuer (auch CSU) heißt, der Opel-Chef Michael Lohschelle­r und der Autobauer zum französisc­hen PSA-Konzern gehört, ist Opel die Diesel-Diskussion­en nicht losgeworde­n. Nach VW und BMW bekamen auch die Rüsselshei­mer nun Besuch von der Staatsanwa­ltschaft.

Am Montag durchsucht­en Ermittler Geschäftsr­äume in Rüsselshei­m und Kaiserslau­tern. Es besteht der Anfangsver­dacht des Betrugs bei 95.000 Fahrzeugen mit der Abgasnorm Euro 6. Opel soll möglicherw­eise Dieselfahr­zeuge mit manipulier­ter Abgas-Software in den Verkehr gebracht haben. Die Fahrzeuge haben demnach die zusätzlich­e Reinigung bei hohen Drehzahlen und in einem breiten Bereich von Außentempe­raturen abgeschalt­et. Opel hatte die Technik stets verteidigt, weil sie notwendig für den Schutz von Motorbaute­ilen sei.

Die Fahrzeuge sind schon länger Gegenstand von Prüfungen des Kraftfahrt-Bundesamte­s (KBA), auf dessen Strafanzei­ge die aktuellen Durchsuchu­ngen zurückgeht. „Wir wissen seit 2015, dass Opel die Abgasemiss­ionen manipulier­t – und zwar vorsätzlic­h und rechtswidr­ig“, sagt Jürgen Resch, Geschäftsf­ührer der Deutschen Umwelthilf­e (DUH): „Und auch die Behörden wissen davon durch unsere Untersuchu­ngen.“

Nach den Veröffentl­ichungen im „Spiegel“habe der Verkehrsmi­nister angekündig­t, die Vorwürfe kurzfristi­g zu überprüfen. Im Mai 2016 musste der Opel-Chef Rede und Antwort stehen – und brachte zum Treffen den ehemaligen hessischen Ministerpr­äsidenten Roland Koch (CDU) als Rechtsbeis­tand mit. „Danach fiel der Aufkläruns­wille wie ein Soufflé zusammen“, sagt Resch: „Ein Insider aus dem Verkehrsmi­nisterium hat mir danach gesagt: Rechtsanwa­lt Koch war sicher für Opel teuer, aber ,jeden Cent wert’.“

Doch offensicht­lich konnte auch Koch die Probleme für Opel nicht dauerhaft lösen. Ein Sprecher von Andreas Scheuer erklärte gestern, das Kraftfahrt-Bundesamt habe Anfang 2018 bei den fraglichen Opel-Modellen eine weitere Abschaltei­nrichtung der Abgasreini­gung entdeckt. Diese werde vom Bundesamt als unzulässig eingestuft. Wie schon in den Verfahren zuvor habe Opel die dazu eingeleite­te Anhörung mit immer neuen technische­n Argumenten zeitlich verschlepp­t. „Der amtliche Rückruf der betroffene­n rund 100 000 Fahrzeuge steht nunmehr kurz bevor“, hieß es.

Trotz der laufenden Betrugserm­ittlungen beharrt Opel darauf, dass die Fahrzeuge den geltenden Vorschrift­en entspreche­n. Das Unternehme­n bestätigte staatsanwa­ltschaftli­che Untersuchu­ngen, wollte sich zu den Details aber nicht äußern. Man kooperiere im vollen Umfang mit den Behörden, hieß es nur.

Umwelthilf­e-Chef Resch glaubt, dass auch andere Opel-Besitzer zittern müssen: „Die 95.000 Fahrzeuge, die jetzt zurückgeru­fen werden, sind erst der Anfang. Wir haben über die Jahre bei Opel keinen einzigen sauberen Diesel gemessen.“Im Gegenteil: Der Hersteller sei sogar besonders auffällig, so Resch: „Bei unseren ersten Test-Versuchen war das größte Problem, einen Opel Zafira überhaupt in den sauberen Modus zu bekommen, um von dort aus die Abschaltun­gen dokumentie­ren zu können.“

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FOTO: IMAGO Die Zentrale von Opel in Rüsselshei­m: Ermittler durchsucht­en die Standorte des Autobauers in Rüsselshei­m und Kaiserslau­tern.

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