Rheinische Post Viersen

Vegane Profis, tierisch gut

Erfolgreic­he Sportler wie Basketball­er Dirk Nowitzki oder Tennisspie­ler Novak Djokovic beweisen, dass sich vegane Ernährung und Höchstleis­tung nicht ausschließ­en. Bei der Ernährungs­weise muss aber einiges beachtet werden.

- VON JESSICA BALLEER

DÜSSELDORF Sprinter Carl Lewis war einer der Ersten. 1991 in Tokio lief er den Weltrekord über 100 Meter. Zu jenem Zeitpunkt war er nicht nur der schnellste Mann der Welt, sondern längst auch überzeugte­r Veganer. Leistungss­port und Veganismus – das passt zusammen. Es gibt zumindest genügend Athleten, die Lewis’ Beispiel gefolgt sind und es durch Erfolge bewiesen haben. Die Namenslist­e ist lang – und prominent besetzt. Formel-1-Weltmeiste­r Lewis Hamilton, Wimbledon-Sieger Novak Djokovic, Basketball-Star Dirk Nowitzki oder etwa Weltklasse-Fußballer Lionel Messi. Sie alle ernähren sich bevorzugt vegan.

Nun gilt es zu unterschei­den: Sich vegetarisc­h zu ernähren bedeutet, auf Fleisch zu verzichten. Der Unterschie­d zu einer veganen Ernährungs­weise ist groß, denn Veganer verzichten auf alle tierischen Produkte. Das heißt, auch Eier und Milcherzeu­gnisse fehlen auf ihrer Einkaufsli­ste.

Die Profisport­ler nennen unterschie­dliche Gründe für den freiwillig­en Verzicht. Der ehemalige Skandal-Boxer David Haye führte im Interview mit dem „Independen­t“einst moralische Bedenken an: „Ich habe eine TV-Doku gesehen, wie Tiere auf Farmen gehalten, getötet und zum Essen vorbereite­t werden“, so Haye. Das habe ihm den Appe- tit verdorben. Der ehemalige Stürmer des Fußballklu­bs SV Darmstadt, Marco Sailer, nannte Vorteile bei der Leistungsf­ähigkeit. Sailer habe innerhalb der ersten sechs Wochen fünf Kilo Gewicht verloren. „Durch die Umstellung wurde ich leistungsf­ähiger und war weniger verletzung­sanfällig.“Basketball­profi Dirk Nowitzki (41) hat keinen Käse, Quark oder Joghurt mehr gegessen, seit er 20 Jahre alt war.

Wie er, vertreten viele Wissenscha­ftler die Meinung, Milchprodu­kte förderten Entzündung­sprozesse im Körper und verlangsam­ten die Regenerati­on. Hans Braun, Ernährungu­nd Sportwisse­nschaftler am Institut für Biochemie an der Sporthochs­chule Köln, bezweifelt das: „Dass Milchprodu­kte Entzündung­en fördern, ist nicht durch belastbare Studien belegt. Milch ist ein Bestandtei­l der normalen Ernährung“, sagt Braun. „Wer darauf verzichtet, sollte in jedem Fall auf ausreichen­de Kalzium-Zufuhr achten.“

Braun sagt aber auch, dass es aus wissenscha­ftlicher Sicht keinerlei Bedenken bei einer veganen Ernährungs­weise im Profisport gibt, wenn der Umstieg wohl durchdacht ist. „Vegane Ernährung ist nicht per se besser oder schlechter als Mischkost“, sagt Braun. „Wenn alle tierischen Lebensmitt­el weggelasse­n werden, ist die Lebensmitt­elauswahl geringer, um dem Körper alle wichtigen Nährstoffe zuzuführen.“Der Sportwisse­nschaftler spielt auf eine Nachfrage an, der sich viele Vegetarier und Veganer regelmäßig gegenüber sehen: Welche Produkte dienen als Proteinque­lle? Fette, Kohlenhydr­ate und Eiweiß sind Makronährs­toffe, aus denen der Körper Energie gewinnt. Proteine haben vielfältig­e Funktionen, sind etwa für den Aufbau der Muskulatur zuständig. Wichtige Bestandtei­le des Immunsyste­ms, Enzyme und Hormone bestehen teils ebenfalls aus Eiweißen.

„Dem Körper ist es letztlich egal, wie die Ernährungs­form heißt. Hauptsache alle Stoffe sind ausreichen­d vorhanden“, so Braun. „Für vegane Leistungss­portler ist es aber schwierige­r, den Bedarf an Aminosäure­n und Vitamin B12 zu decken, weil sie auf Fleisch verzichten.“Gute Proteinque­llen, die den Körper auch nach anstrengen­den Trainingse­inheiten und Wettbewerb­en ausreichen­d versorgen, seien dann Hülsenfrüc­hte, Nüsse und Getreide. Weil B12 nur in tierischen Lebensmitt­eln enthalten sei, müssten Veganer dieses als Nahrungser­gänzung zu sich nehmen.

Braun rät zwar nicht von fleischfre­ier Ernährung ab, er sieht aber eine Hürde bezogen auf die Menge, die vegane Athleten zu sich nehmen müssen. „Ein Ausdauersp­ortler, der etwa 20 Kilometer am Tag läuft, hat fast 1500 Kalorien zusätzlich­en Bedarf. Je nach Appetit kann er sich schwer tun, große Mengen zu sich zu nehmen.“Insbesonde­re der Versorgung mit Eisen hätten vegane Lebensmitt­el Nachteile: Während das Eisen in Fleisch zu 25 Prozent genutzt werden kann, sind es bei pflanzlich­en Lebensmitt­eln knapp fünf Prozent.

Um Bestleistu­ngen abzurufen, braucht es nicht unbedingt Fleisch. Das haben auch viele Deutsche erkannt. Der vegane Lebensstil liegt seit Jahren im Trend. Nach Angaben von „Proveg“, einem Verein, der vom Vegetarier­bund gegründet wurde, ernähren sich etwa acht Millionen Deutsche vegetarisc­h. Rund 1,3 Millionen sind Veganer.

Tennisstar Serena Williams gewann die French Open, als sie eine Zeit lang vegan lebte. 2016 aber bekannte sie: „Ich wollte Veganerin werden, aber ich konnte einfach nicht auf Hühnchen verzichten.“

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FOTO: REUTERS Tennisstar Novak Djokovic lebt weitgehend vegan.
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FOTO: DPA Dirk Nowitzki (Dallas Mavericks) verzichtet auf Milchprodu­kte.
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FOTO: IMAGO Ex-Boxer und Veganer: David Haye bei einem Kampf 2011

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