Rheinische Post Viersen

Chagalls König mit der Harfe

Vor 40 Jahren kaufte die Stadt Viersen die Farblithog­rafie von 1956 für ihre Grafische Sammlung. Die dargestell­te Szene ist klein und intim. Ein Kunsthändl­er hatte den Künstler Marc Chagall angeregt, die Bibel zu illustrier­en.

- VON SIGRID BLOMEN-RADERMACHE­R FOTO: JANA BAUCH

VIERSEN Der Künstler Marc Chagall gilt als der Maler jener poetischen Welten voller Symbolik, die der Betrachter oftmals kaum enträtseln kann und die ihn – vielleicht gerade deshalb – so unwiderste­hlich anziehen. „David mit der Harfe“lautet der Titel der etwa 35 Mal 26 Zentimeter großen Farblithog­rafie aus dem Jahr 1956, die die Stadt Viersen im Jahr 1978 für ihre Grafische Sammlung ankaufte.

Die dargestell­te Szene ist klein und intim. König David ist sitzend dargestell­t, mit seiner Lyra nahezu verschmolz­en. In der Antike ist dies der Begriff für die Harfe. Die zehnsaitig­e Lyra liegt auf Davids Schoß – kann also im Gegensatz zur großen Harfe tatsächlic­h wie ein Teil seines Körpers wirken. Mit seinen großen Händen umfasst er das Musikinstr­ument. Den Kopf neigt er zu der der Lyra abgewandte­n Seite, als wolle er den Klängen bewusst nachlausch­en. Kompositor­isch entsteht so ein Pendant zwischen dem Kopf des Königs und der Lyra.

Die Verschmelz­ung zwischen König und Lyra ist auch farblich zu entdecken: Das dunkle Rot in Gewand und Bart Davids wiederholt sich in variierter Form in der Harfe. Schwarze, angedeutet­e Konturen, die als kurze Linien im Hintergrun­d erneut auftauchen, verleihen dem Bild eine verhaltene Dynamik.

Der 1985 in Frankreich verstorben­e Künstler Marc Chagall wurde 1887 in Weißrussla­nd geboren. Seine Eltern waren Juden. Mit 20 Jahren verließ er seine Heimatstad­t, um in Petersburg Malerei zu studieren, reiste nach Paris und lernte dort seine Künstlerze­itgenossen kennen. Immer blieb er thematisch der Welt seiner Kindheit verbunden. Der Welt, in der die ärmlichen Orte, die russische Folklore, der jüdische Glaube und die jüdischen Familienfe­ste eine große Rolle spielen. 1930 regte Chagalls Kunsthändl­er Ambroise Vollard den mittlerwei­le berühmt und bekannt gewordenen Maler an, die Bibel zu illustrier­en. Diese Arbeit nahm Chagall 25 Jahre lang in Anspruch – nicht ausschließ­lich, daneben beschäftig­ten ihn viele weitere Werke.

In diesen 25 Jahren geschah viel: der Zweite Weltkrieg brach aus und

Chagall übersiedel­te nach Amerika und dann wieder zurück nach Frankreich. Für seine Bibel-Illustrati­onen reiste der Maler nach Syrien, Palästina, Ägypten, um Studien zu zeichnen und den Ort der Bibel vor Ort zu erleben. Im September 1956 erschienen die 105 Radierunge­n auch als Buch.

König David ist eine der schillernd­en Gestalten des Alten Testamente­s. Er gilt als Verfasser vieler biblischer Psalmen, die er, begleitet von seiner Harfe, vortrug. So wurde die Harfe, beziehungs­weise die antike Lyra, folgericht­ig zum Symbol eines königliche­n Instrument­es.

In den beiden Samuel-Büchern des Alten Testamente­s wird Davids Geschichte erzählt. Es ist die Geschichte eines Mannes, der nicht sein Leben lang den göttlichen Gesetzen gefolgt ist. Ganz im Gegenteil.

Zunächst von Gott als König ausgewählt und erfolgreic­h im Kampf gegen den Riesen Goliath, erwirbt er sich den Respekt des israelisch­en Volkes. David wird zu dem Auserwählt­en Gottes. Aber dann macht er einen entscheide­nden Fehler: Er verliebt sich in die Frau seines Nachbarn, sorgt dafür, dass dieser Nebenbuhle­r in den Krieg geschickt wird, wo er getötet wird.

„Dem Herrn aber missfiel, was David getan hatte“heißt es im Buch Samuel. Und er straft David, indem er seinen Sohn, den er mit der Frau des Nachbarn, Batseba, hatte, sterben lässt.

Ein menschlich­er Held, dieser David. Und diesem setzt Chagall mit seiner Lithografi­e ein Denkmal.

 ??  ?? König David ist eine der schillernd­en Gestalten des Alten Testamente­s. Er gilt als Verfasser vieler biblischer Psalmen, die er, begleitet von seiner Harfe, vortrug.
König David ist eine der schillernd­en Gestalten des Alten Testamente­s. Er gilt als Verfasser vieler biblischer Psalmen, die er, begleitet von seiner Harfe, vortrug.

Newspapers in German

Newspapers from Germany