Was unterscheidet den Longdrink vom Cocktail, und was genau ist eigentlich ein Shortdrink? Der „Mixologe des Jahres“erklärt es.
Ein Garten voller kräftiger Apfelbäume, in denen nach Alpenkräutern duftende Küsse hängen, den zu verführen, der gen Himmel fahren will: Diese träumerischen Zeilen stammen weder aus einem Gedicht noch aus einem Märchen, sondern von einer Cocktail-Karte. Dahinter versteckt sich der Drink „Widow’s Kiss“, zu finden in „Becketts Kopf“, der Bar von Oliver Ebert und seiner Frau Cristina Neves im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Der Bartender wurde Anfang Oktober vom Fachmagazin „Mixology“das zweite Mal zum „Mixologen des Jahres“gekürt. Vermeintliche „In-Getränke“wie der allseits bekannte Gin Tonic schaffen es nicht auf seine Karte. Ebert und sein Team kreieren oder interpretieren alle Drinks selbst. Aber wie wird man eigentlich Bartender? Wie erkennt man einen richtig guten Cocktail, und was benötigt man, um selbst Drinks zu mixen?
Bartender
Professioneller Bartender zu werden, ist gar nicht so einfach. Einen anerkannten Ausbildungsberuf gibt es nicht, höchstens eine Spezialisierung im Hotelfach. Die meisten starten ihre Arbeit hinter der Bar daher als Quereinsteiger, so wie Oliver Ebert, der Philosophie, Literaturund Theaterwissenschaft studiert hat. Er rät, sich das Handwerk von einem erfahrenen Bartender beibringen zu lassen. Wer sich nur aus Spaß mit dem Getränkemixen beschäftigen möchte, dem empfiehlt er, seinen Geschmack zu trainieren. Diesen vergleicht er mit einem Muskel. Je intensiver man ihn trainiere, desto besser könne man ihn nutzen. Dafür müsse man einfach die Augen schließen und sich fragen, was man alles schmecke. Gerade Cocktails forderten aufgrund ihrer hohen Aromenintensität zum intensiven Schmecken heraus.
Cocktails/Shortdrinks
Ein Shortdrink ist nicht das gleiche wie ein Shot. Shortdrink ist zu übersetzen als „kleines“oder „kürzeres Getränk“, erklärt Ebert. Sein Flüssigkeitsvolumen ist gering, das Alkoholvolumen hoch. Ein Shortdrink ist eigentlich der klassische Cocktail, ursprünglich bestehend aus einer Spirituose, Wasser und einem Bitter. Mittlerweile gibt es aber auch Cocktails ohne Bitter, und auch der einst eigenständige „Sour“zählt nun als eine Variante. Dadurch, dass die Drinks nicht „gestreckt“werden, besitzen sie ein höheres Aromenspektrum als Longdrinks. Diese sind „lange“oder „verlängerte“Mixgetränke, meist aufgegossen mit Soda oder Tonic, wodurch sich der Alkoholgehalt verringert.
Zwar befinden sich sogenannte „Virgins“oder „Mocktails“, also Cocktails ohne Alkohol, auf vielen Getränkekarten, doch für Oliver Ebert ist das ein Widerspruch. „Kein Cocktail ohne Alkohol“, sagt der Bartender. „Alkohol beim Cocktail ist wie das Fett in der Küche. Er trägt die Aromen.“Die Notwendigkeit für die Verwendung von Spirituosen für ein aromatisches Mixgetränk erklärt er anhand eines Beispiels: Man stelle sich vor, man beiße in eine frische Birne. Anschließend nehme man einen Schluck von einem Birnenbrand. Durch die vergorenen und destillierten Birnen biete der Brand ein größeres Aromenspektrum als die reine Frucht. Auf die Kalorienzahl dürfte man bei dem Genuss eines Cocktails seiner Ansicht nach daher nicht achten.
Qualität
Das geschmacklich facettenreichere und hochwertigere Getränk ist also der Shortdrink. Doch was macht einen guten Cocktail aus? Essentiell ist laut Ebert die Qualität der Zutaten. Die Spirituosen sollte man nach seiner Empfehlung unbedingt im stationären oder Online-Fachhandel kaufen. Viele Händler haben sich sogar auf eine einzige Kategorie, wie Gin, spezialisiert, weil es allein hier viele unterschiedliche Sorten und Variationen gibt. Um einen gelungen Cocktail zu mixen, sei es aber auch wichtig, zu verstehen, wie ZureagieDrink taten miteinander ren. Ein guter müsse eine „vollnie endete Harmonie der Zutaten“sein. Das hinzubekommen, könne Monate dauern. In einer Bar kann der Cocktailpreis ein Qualitätsindikator sein. „Bei einem Preis unter zehn Euro wurde wahrscheinlich an den Zutaten gespart“, erklärt der Bartender.
Ausstattung
Zur Grundausstattung zum Mixen von Cocktails zählt der Experte ein Rührglas, Rührlöffel und ein Sieb, den sogenannten „Strainer“. Dazu einen Shaker, zum Beispiel einen „Boston Shaker“. Zu den klassischen Spirituosen gehören Gin, Whisky und Brandy. Gefolgt von Rum, Tequila und Wodka. Nicht zu vernachlässigen sei die Wahl der Eiswürfel. Besser als kleine sei ein großer Würfel mit einer Temperatur um die -16/-17 Grad Celsius. Kleines, nicht sehr kaltes Eis schmelze zu schnell und zerstöre durch die hohe Wasserabgabe die Balance des Drinks. Die Auswahl des richtigen Glases sollte auf das Getränk abgestimmt sein. „Ein feiner Cocktail gehört in ein feines Glas“, erklärt Ebert, der in „Becketts Kopf“dünnwandige antike Gläser verwendet.
Ambiente
Oliver Ebert erzählt, beim Cocktailtrinken ginge es um zwei Dinge. Einmal um den Genuss und das Erschmecken der Aromen, aber auch darum, einmal die Gedanken frei schweifen zu lassen. Nicht zu verwechseln mit einem Vollrausch, der ist verpönt. Eine klassische Bar sei deshalb dunkel, abgeschlossen von äußeren Eindrücken und biete eine eher gedämpfte Stimmung. „Eine Bar ist wie eine Zeitkapsel“, sagt der Mixologe. Vielleicht auch deshalb klingen die poetischen Beschreibungen seiner Cocktails wie aus einem Traum.
Ist die nötige Ausstattung besorgt und der eigene Drink gemixt, sollte man also auch für die richtige Atmosphäre sorgen. Den Raum abdunkeln und ruhige, leise Musik als einziges Hintergrundgeräusch einsetzen. Damit die Welt draußen bleibt und man sich voll und ganz auf das Erlebnis Cocktail konzentrieren kann.
Im Trend
Neben dem beliebten Longdrink Gin Tonic ist der ebenfalls auf Gin basierende Negroni ein aktuelles Trendgetränk. Der aus Italien stammende Cocktail wird aus Gin, Wermut und Campari gemixt und hat einen bitter-süßen Geschmack. Cocktails mit Kräuterlikören und verschiedenen Gewürzen sind allgemein auf dem Vormarsch und lösen die bunten, stark gezuckerten Variationen allmählich ab. Bekannte „Tiki-Cocktails“wie der Mai Tai verschwinden jedoch nicht, sie erhalten häufig mehr Würze durch die Zugabe von Bitters oder Aromen.
Rezepte
Sidecar vom Savoy Cocktail Book: 4 cl Cognac, 2 cl Orange Curacao, 2 cl frischer Zitronensaft. Auf viel kaltem Eis gut schütteln und in ein Cocktailglas abseihen.
Villa Viktoria von „Becketts Kopf“: 3 cl Gin von Mühle 4, 3 cl Merwut Wermut von Dorst, 1,5 cl Mirabelle von Mühle 4, 1,5 cl Curacao vom Freimeisterkollektiv. Auf viel Eis kalt rühren und in ein Cocktailglas abseihen.