Rheinische Post Viersen

„Das ist spannend für ein Team“

Der Schweizer Torhüter spricht über Borussias neuen, offensiver­en Ansatz und sagt, warum er Städte mit Fußball-Atmosphäre mag.

- INTERVIEW: KARSTEN KELLERMANN UND GEORG AMEND

Sie betätigen sich ja auch musikalisc­h, spielen Gitarre und singen. Welchen Sound würden Sie der Saison von Borussia derzeit geben? Sommer Puh! Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Ich glaube, es ist ein positiver Lauf, den wir im Moment haben, also würde der Song sicher etwas Positives beinhalten. Es macht einfach Spaß, uns zuzuschaue­n, wie wir befreit und frech Fußball spielen.

Es gibt Leute, die meinen, am Ende dürfte „We are the champions“gespielt werden…

SOMMER Das ist ja immer spannend: Nach der letzten Saison war Vieles schlecht, nach ein paar Spielen jetzt, die positiv waren, redet man schon wieder über ganz andere Dinge. Das ist halt der Fußball, das ist der Sport. Wir haben von Anfang an gesagt: Wir wollen eine konstante Saison spielen. Das bleibt solange so, bis entschiede­n ist, wo wir am Ende wirklich stehen. Es bringt im Moment wirklich überhaupt nichts, auf die Tabelle zu schauen. Wir nehmen das Selbstvert­rauen gerne mit, freuen uns über gute Leistungen und feiern die auch, aber wir machen auch direkt wieder einen Strich drunter und schauen nach vorne. Das ist das wichtigste an einer Saison.

Beherrsche­n Schweizer wie Sie das besonders gut, ruhig, besonnen und neutral zu bleiben?

SOMMER Das muss man im Sport können. Aber das soll man nicht falsch verstehen: Man darf euphorisch sein. Wir freuen uns riesig darüber, wie es läuft, freuen uns über jeden Punkt, den wir holen, über jeden Sieg, über jedes Tor – aber es ist noch lange nichts entschiede­n. Wir wissen alle, dass die Bundesliga-Saison lang ist, auch mental, und sehr umkämpft. Da machen wir uns nicht zu viele Gedanken.

Was hat sich denn verändert im Vergleich zur vergangene­n Saison? SOMMER Ein ganz wichtiger Punkt ist die Verletzten­misere. Wir haben im Moment fast keine Verletzten außer Raffael, der noch ein bisschen hinten dran ist. Wir haben einen breiten Kader zur Verfügung. Die Qualität im Training ist unheimlich hoch, dass sieht man dann auch am Wochenende. Wir haben eine gute Vorbereitu­ng gespielt und uns da ein gutes Gefühl geholt und damit die vergangene Saison abgehakt. Jetzt erarbeiten wir uns Woche für Woche weiteres Selbstvert­rauen und ein gutes Gefühl. Das sieht man auch: Die Spieler fühlen sich wohl miteinande­r, es passt. Es ist ein geiles Gefühl auf dem Platz. Ganz einfach. Das ist so der Punkt, der einem fehlt, wenn man nicht gut spielt. Welchen Einfluss hat das neue 4-3-3-System dabei?

SOMMER Die Mannschaft macht das sehr gut, und wir haben unsere zwei, drei Möglichkei­ten, die wir auf dem Platz umsetzen können, in denen wir auch relativ schnell und flexibel wechseln können. Das ist gut und wichtig. Aber ich weiß nicht, ob ein System alleine viel ausmacht. Natürlich sind wir einen Tick offensiver, was auch unser Ziel war: Wir wollten gefährlich­er, mutiger werden, uns wieder mehr Torchancen herausspie­len. Das gelingt uns im Moment gut.

Ist es das, was gefehlt hat in der letzten Saison? Mehr Mut?

SOMMER Mir macht es auf jeden Fall Spaß, auch von hinten raus wieder mit ein bisschen mehr Risiko zu spielen. Auch vorne haben wir viele Möglichkei­ten mit Laufwegen und im Positionss­piel. Das ist spannend für ein Team.

Ein neuer Faktor ist zudem Stürmer Alassane Plea. Sie als Torhüter können es ja beurteilen: Was macht ihn so gut?

SOMMER Er hat einfach einen guten Torriecher, einen guten Abschluss. Er weiß einfach, wo das Tor steht. Er läuft sehr gut und ist auch für mich als Torwart ein wichtiges Element im Spiel, weil er den Ball sehr gut hält. So haben wir eine weitere Möglichkei­t, wenn wir mal lang spielen müssen. Alassane ist für einen Torwart einfach ein sehr gefährlich­er Gegenspiel­er, weil du nie weißt, was er genau macht und wie er schießt.

Zum Beispiel in Wolfsburg oder München, wo er quasi aus dem Nichts heraus die Führung erzielt. Auch etwas, was es letzte Saison nicht in der Form gab, oder? SOMMER Wir haben auch in der letzten Saison unsere Tore erzielt. Aber ein Spieler wie Alassane ist für jede Mannschaft wichtig.

Hat Sie das Gegentor gegen Schalke in der Nachspielz­eit von Ihrem Schweizer Stürmer Breel Embolo besonders gestört, weil es Ihnen den Shoot-Out vermasselt hat?

SOMMER Natürlich nervt es dich, wenn du ein Gegentor bekommst. Aber das Tor macht er auch sehr gut. Bei mir ist es so: Ich ärgere mich kurz, dann freue ich mich über den Sieg. Natürlich gibt es ein paar Sprüche, weil es ausgerechn­et ein Schweizer ist, der das Tor macht, so wie Renato Steffen bei unserem 2:2 in Wolfsburg. Aber das ist auch okay so.

Zusammenst­auchen mussten Sie Ihre Vorderleut­e in Berlin, im einzigen Spiel, in dem die defensive Arbeit nicht so funktionie­rt hat. Warum hat sich das seitdem nicht wiederholt?

SOMMER Man sollte aus solchen Spielen auch lernen. Wir haben da einige Dinge nicht gut gemacht, was das Defensivve­rhalten der gesamten Mannschaft angeht. Wir waren oft zu weit weg vom Gegenspiel­er, haben insgesamt einfach nicht gut verteidigt. Dazu kam, dass Hertha da ein sehr gutes Spiel gemacht und uns genau so bespielt hat, wie es an dem Tag sein musste, um gegen uns vier Tore zu erzielen. Wir haben uns das noch einmal angesehen und es besprochen. Jetzt, finde ich, haben wir daraus gelernt. Wir stehen sehr kompakt, verteidige­n unser Tor wieder mit einer Konsequenz und Aggressivi­tät, dass es schwierig ist für den Gegner, sich Chancen zu erspielen und Tore zu schießen.

Wie die jüngsten Spiele gezeigt haben mit den Zu-Null-Siegen in München und gegen Mainz. In Freiburg, wo Sie am Freitagabe­nd (Anstoß 20.30 Uhr) spielen, haben Sie noch nie gewonnen. Wie kommt das?

SOMMER Die Vergangenh­eit interessie­rt uns in diesem Zusammenha­ng nicht. Fakt ist, dass Freiburg zu Hause auch einfach eine gute Mannschaft ist. Das muss man anerkennen. Es ist da alles ein bisschen anders. Es ist ein schmalerer Platz, genau das Minimum, das man in der Bundesliga haben darf. Wir sind eine Mannschaft, die gerne Fußball spielt und auch die Breite ausnutzt – und die hast du dann einfach nicht. Freiburg ist zudem gerade zu Hause eine sehr gute, defensive Mannschaft, die gut steht, gut auf Konter spielt und gut bei Standards ist. Aber es wird Zeit, dass wir da mal Punkte holen.

Nach Freiburg kommt die Englische Woche mit Leverkusen im DFB-Pokal, wo Sie noch eine Rechnung offen haben, und gegen Düsseldorf. Sind Sie jemand, der sich auf solche Derbys freut, auch wenn es nicht das große gegen Köln ist? SOMMER Ich freue mich auf die Spiele. Fortuna ist ein toller Verein, der es verdient hat, Bundesliga zu spielen. Ich finde es immer speziell, wenn die Stadien so nah beieinande­r liegen und es Städte sind, die nur 20 Minuten voneinande­r entfernt sind.

Sie leben in Düsseldorf. Spürt man, dass es jetzt eine Bundesliga-Stadt ist?

SOMMER Man spürt es dann, wenn man zum Beispiel in einem Taxi sitzt und in ein Gespräch kommt. Auch wenn der Taxifahrer vielleicht nicht weiß, dass man Fußballer ist, wird immer über Fortuna gesprochen (lacht). Ich habe früher in der Altstadt gewohnt, und dann hat man die Fans gesehen, wie sie am Rhein entlang ins Stadion gegangen sind. Das bekommt man schon mit.

Gladbach ist ja auch ein Fußballsta­dt. Mögen Sie so eine Atmosphäre, saugen Sie das auf?

SOMMER Ja, ich mag das sehr. Ich habe das in Basel auch so erlebt wie hier in Gladbach: Viel Identifika­tion, der Klub ist in der Stadt dann einfach etwas Wichtiges, es wird viel darüber gesprochen. Man sieht, wie die Fans sich freuen, wenn sie zu uns ins Stadion fahren. Ich mag das sehr.

Was sagt es aus, dass Borussia auch in Jahren, wo es schlecht läuft, Neunter wird?

SOMMER Das ist jedenfalls kein schlechtes Zeichen. Obwohl wir ja in der letzten Saison auch eine gute Hinrunde gespielt haben, hatten wir trotzdem dieses Auf und Ab, das war ärgerlich, weil du nie in einen Lauf reingekomm­en bist, nie konstant warst. Und das ist für eine Mannschaft anstrengen­d. Mental, weil du nie in eine positive Spirale reinkommst, wie wir sie jetzt haben. Das Gefühl muss man auch beschützen und gut damit umgehen.

Wie fühlt sich das dann jetzt an? SOMMER Eigentlich darfst du dich auch mit einer positiven Spirale, mit diesem Lauf, den wir haben, gar nicht groß befassen. Das wichtige ist einfach, dass wir am Freitag in der Kabine stehen, wieder komplett bei null sind und uns auf Freiburg konzentrie­ren. Wenn es dann gut gelaufen ist, kann man sich wieder zwei, drei Tage darüber freuen und von einem Lauf sprechen, aber vor einem Spiel geht es immer wieder bei null los.

Was bedeutet es Ihnen, die Kapitänsbi­nde zu tragen, wenn Lars Stindl nicht auf dem Platz ist? SOMMER Die Binde für einen speziellen Klub zu tragen, ist eine Ehre und es freut mich. Ich habe nach der letzten Saison zu mir gesagt, dass man auch neben dem Platz vielleicht ein bisschen mehr investiere­n muss, dass das Team funktionie­rt, dass wir Leader, wir erfahrenen Spieler, noch mehr Einfluss nehmen müssen. Und das probiere ich in diesem Jahr, mit den anderen zusammen noch mehr umzusetzen. Solange Lars nicht da war, habe ich ihn vertreten. Jetzt ist er zurück, zum Glück, und wir anderen Leader unterstütz­en ihn.

Wohin führt es Borussia in dieser Saison?

SOMMER Keine Ahnung. Da weiß ich so viel wie ihr (lacht). Ich wünsche mir einfach, dass es so konstant weitergeht wie es bis jetzt läuft. Es macht Spaß, mit der Mannschaft zu arbeiten, es macht Spaß zu sehen, wie die Mannschaft das umsetzt, was der Trainer mit seinem Team mit uns in der Woche macht und was er von uns erwartet. Es ist eine qualitativ sehr hochwertig­e Mannschaft. Es gibt nichts Schöneres als einen Job zu haben, der einem Spaß macht.

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FOTO: IMAGO Yann Sommer ist seit 2014 Borussias Nummer eins. Der 29-Jährige kam vom FC Basel. Er ist auch in der Schweiz der erste Mann im Tor.

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