Rheinische Post Viersen

Wer mit wem?

- VON KRISTINA DUNZ UND GREGOR MAYNTZ FOTO: IMAGO

BERLIN Volker Bouffier ist kein Abenteurer. Diese Mischung aus Aufregung und Gefahr liegt dem Christdemo­kraten nicht. Mit achtjährig­er Amtszeit ist er der dienstälte­ste unter den deutschen Ministerpr­äsidenten, ein Mann der stabilen Verhältnis­se, seit 2014 mit den Grünen. Wenn der 66-Jährige einmal nicht mehr Politik macht, könnte er mit seiner so tiefen wie warmen Stimme Hörbücher produziere­n – und aus der Erzählpers­pektive könnte er dann sogar eine Abenteurer-Geschichte mit einem Retter und einem Bösewicht wählen. So etwas geht ihm jedenfalls leicht von den Lippen, so wie er in den letzten Stunden vor der Landtagswa­hl in Hessen vor dem „Abenteuer“eines Linksbündn­isses warnt, das in seinen Augen der „programmie­rte Abstieg“wäre. Der Krimi beginnt aber vermutlich schon am Wahlabend. Denn laut Umfragen erscheint in Hessen alles möglich. Nachfolgen­d die Szenarien, wer mit wem in Wiesbaden eine Koalition bilden könnte. Die alles entscheide­nde Frage: Was wäre, wenn?

Schwarz-Grün Wenn es für SchwarzGrü­n reicht, werden Bouffier und der grüne Wirtschaft­sminister Tarek Al-Wazir höchstwahr­scheinlich zusammenha­lten. Sie haben in den vergangene­n fünf Jahren ein Vertrauens­verhältnis aufgebaut, Bouffier kann gönnen und Al-Wazir trotz aller Freude an Polarisier­ung auf Grabenkämp­fe mit ihm verzichten. Die Koalition arbeitet solidarisc­h, der Wirtschaft geht es gut. Jamaika Wenn CDU und Grüne einen Dritten im Bunde brauchen, wäre die FDP ein denkbarer Partner. Jedenfalls für Bouffier, der von 2010 bis 2013 eine schwarz-gelbe Koalition führte, sowie für den FDP-Spitzenkan­didaten René Rock und auch FDP-Chef Christian Lindner. Allerdings nur, wenn es unter dem CDU-Landesvors­itzenden Bouffier nicht so liefe wie bei den Jamaika-Sondierung­en vor einem Jahr unter der CDU-Bundesvors­itzenden Angela Merkel. Die FDP fühlte sich gegenüber den Grünen massiv benachteil­igt. Dieses Trauma sitzt noch tief. Lindner ließ das Vorhaben damals platzen, was die Spitze der Bundes-CDU ihm bis heute als Wegducken vor der Verantwort­ung ankreidet. Weil die Grünen ihr Ergebnis im Vergleich zu 2013 aber verdoppeln könnten, werden sie die FDP in einer Dreierkoal­ition kleinhalte­n wollen. Ein Bündnis unter einem Grünen lehnt die FDP ab. Grün-Rot-Rot Wenn Al-Wazir nach Baden-Württember­g das zweite Flächenlan­d in Grünen-Hand bekommen kann, weil die Partei zweitstärk­ste Kraft wird, wird er auf Bouffier keine Rücksicht nehmen. Weil die FDP nicht mitmachen würde, bliebe ein Dreierbünd­nis mit den Linken. Die CDU könnte auch nicht mit dem Finger auf die SPD als Juniorpart­ner zeigen, weil sie selbst in Stuttgart unter den Grünen mitregiert.

Ampel oder Rot-Grün-Rot Wenn SPD-Spitzenkan­didat Thorsten Schäfer-Gümbel im dritten Anlauf Ministerpr­äsident werden möchte, kommen dafür zwei Möglichkei­ten infrage. Eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP – das würden viele Liberale in der Region gegenüber Jamaika bevorzugen, weil sie dann nicht als Außenseite­r zu einem eingespiel­ten Schwarz-Grün-Team hinzukämen, sondern mit SPD und Grünen neu anfangen könnten. Ein Linksbündn­is würde ebenso wie eine Ampel die angeschlag­ene SPD im Bund stärken – zugleich aber die große Koalition in Berlin ins Wanken bringen, weil Merkel bei einem Machtverlu­st der CDU in Hessen selbst taumeln würde. Allerdings wäre auch jede Variante in Hessen ohne Beteiligun­g der SPD für die Groko im Bund eine Gefahr. Denn dann bliebe in der Partei der Vorsitzend­en Andrea Nahles kein Stein auf dem anderen.

Kenia Wenn es für Schwarz-Grün nicht reicht, wäre noch eine wahrhaft große Koalition möglich: CDU-SPD-Grüne – den Farben der kenianisch­en Flagge folgend: Kenia-Koalition. Wie in Sachsen-Anhalt. Das würde die große Koalition in Berlin stabilisie­ren.

Groko Wenn CDU und SPD in Hessen zueinander­finden, ist die Aussicht auf ruhigeres Fahrwasser für beide Parteien im Bund am größten. Noch eine Groko will aber eigentlich keiner.

Die stellvertr­etende CDU-Vorsitzend­e und Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner mahnt, Union und SPD hätten sich dazu verpflicht­et, bis 2021 zu regieren. Und sie sagt: „Die Union ist doch geschlosse­n. Es gibt doch nicht nur Schwarz oder Weiß.“Eine Trennung von Parteivors­itz und Kanzleramt, um den Wechsel von Merkel zu einem Nachfolger allmählich zu vollziehen und ein Ventil für Unmut in der Partei zu öffnen, lehnt auch Klöckner ab. Das aber würde bedeuten, dass Merkel sich in einer Krisenlage auch von beiden Ämtern zurückzieh­en müsste. Die SPD könnte aber keinen neuen CDU-Kanzler akzeptiere­n. Dass in Berlin alles bleibt wie es ist, erscheint jedenfalls nach der Hessen-Wahl schwer möglich.

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