Als Abtreibungen noch tabu waren
Anna Schudt spielt in „Auf in die Freiheit“eine Frau, die für ihre Selbstbestimmung kämpft.
BERLIN (dpa) Erika Gerlach schaut betreten, als ihr Frauenarzt zur Schwangerschaft gratuliert. „Eins mehr oder weniger spielt doch in einem Metzgerhaushalt keine Rolle“, sagt er nur. Aber Erika Gerlach hat bereits drei Kinder und mehr als genug Arbeit. Sie will kein weiteres Kind, weiß aber, dass ihr Mann für ihre Sorgen wenig Verständnis hat. Deshalb entscheidet sie sich für einen heimlichen Abbruch der Schwangerschaft.
Erika Gerlach ist keine historische Figur, aber der ZDF-Film „Aufbruch in die Freiheit“erzählt eine Geschichte, die so passiert sein könnte. Im Mittelpunkt steht eine Frau, die Anfang der 70er Jahre in einer Provinzstadt das Leben einer Ehefrau und Mutter führt - als der sonntägliche Kirchgang noch Pflicht war, Empfängnisverhütung als des Teufels galt und viele Männer es für die natürliche Weltordnung hielten, dass Frauen zu tun hätten, was sie ihnen sagten.
Das ZDF zeigt „Aufbruch in die Freiheit“nach dem Drehbuch von Andrea Stoll, Heike Fink und Ruth Olshan als Fernsehfilm der Woche am Montag um 20.15 Uhr. Anna Schudt, bekannt als Kommissarin aus dem Dortmunder „Tatort“, spielt diese anfangs so angepasste Metzgersgattin, die sich nicht mehr gefallen lassen will, dass andere über ihren Kopf hinweg über ihren Bauch entscheiden, ausgesprochen eindrucksvoll.
Erikas Mann Kurt, den Christian Erdmann in all seiner patriarchalischen Hilflosigkeit ebenfalls ausgesprochen glaubwürdig darstellt, beansprucht gegenüber seiner Frau das letzte Wort. Sie traut sich nicht, mit ihm über ihre Schwangerschaft zu sprechen, da sie keine Hoffnung hat, dass er sie versteht. Stattdessen fährt Erika zu einem Arzt nach Köln um heimlich abzutreiben. Der Abbruch endet chaotisch - und für Erika im Krankenhaus.
Weil sie nicht gleich nach Hause kann, bleibt sie bei ihrer Schwester Charlotte (Alwara Höfels), die in Köln ein ganz anderes Leben lebt als Erika: in einer WG wie aus dem Hippie-Bilderbuch, in der der Kampf gegen den Abtreibungs-Paragrafen 218 so selbstverständlich ist wie das gemeinsame Nudelessen in der WG-Küche.
Manchmal erscheinen die Figuren etwas grob gezeichnet: Da ist Erika arg klischeehaft die Spießerin, und Charlotte macht überdeutlich auf linksalternative Emanze. Aber insgesamt schafft es „Aufbruch in die Freiheit“überzeugend, die Konflikte um den Paragrafen 218 Anfang der 70er Jahre in Erinnerung zu rufen.
„Aufbruch in die Freiheit“, ZDF, 20.15 Uhr