Rheinische Post Viersen

NRW setzt auf Batterien statt Braunkohle

Wo heute Tagebaue ausgekohlt werden, könnte künftig eine BatterieFa­brik stehen. Nun ringt man um Fördergeld­er und Investoren.

- VON ANTJE HÖNING UND FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Die Frage, ob Deutschlan­d eine eigene Fertigung für Batterieze­llen für Elektroaut­os braucht, ist für Günther Schuh eine Überlebens­frage. Große Hersteller wie VW oder Daimler würden damit rechnen, dass sie stets von asiatische­n Anbietern versorgt werden, sagte der Gründer des Aachener Elektroaut­o-Start-ups e.Go unlängst. „Aber das garantiert ihnen niemand. Und wir als kleiner Hersteller sind die ersten, die am Fliegenfän­ger hängen, wenn die Chinesen nicht liefern.“Daher wirbt Schuh intensiv darum, dass auch in Deutschlan­d, oder noch besser: in NRW, Batterieze­llen gefertigt werden. Er könnte sich vorstellen, gemeinsam mit der anderen Elektrofah­rzeug-Ausgründun­g aus der RWTH Aachen, Streetscoo­ter, und dem Autoherste­ller Ford aus Köln eine solche Fabrik aufzubauen. 20.000 Batterien könnten hier im Jahr gefertigt werden, verriet er dem „Stern“. „Streetscoo­ter und wir mit dem e.Go Life stünden als Abnehmer zur Verfügung“, so Schuh. „Das Ford-Gelände in Köln-Niehl wäre geeignet. Wir müssten allerdings sehr rasch damit anfangen.“

Ford ist zurückhalt­ender: „Grundsätzl­ich teilen wir die Einschätzu­ng von Wirtschaft­sminister Peter Altmeyer, wonach eine Batterieze­llenfertig­ung in Deutschlan­d und Europa erstrebens­wert wäre, um in Zeiten zunehmende­r Elektromob­ilität Know-how zu sichern und eine Abhängigke­it von außereurop­äischen Märkten zu verhindern.“

Schuh jedenfalls ist mit Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) in Gesprächen. Denn auch die Landesregi­erung treibt das Thema voran. Im Landtag sagte Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) zuletzt, dass die Ansiedlung einer Batterieze­llenproduk­tion neue Chancen für das rheinische Revier brächte. Man bemühe sich um die Errichtung einer Vier-Gigawatt-Produktion­sanlage im Rheinland, langfristi­g könnte etwa in Euskirchen auch eine größere Fertigung entstehen. „Ziel ist die Sicherung von Entwicklun­gs- und Produktion­s-Know-how, die Unabhängig­keit von asiatische­n Zell-Produzente­n und die Versorgung kleiner und mittelstän­discher wie auch großer Abnehmer“, so Pinkwart.

230 bis 250 Millionen Euro sind laut Schuh nötig, „um ins Spiel zu kommen“. 80 Millionen Euro davon würde er gerne aus Landes-, Bundesoder EU-Mitteln gefördert sehen. Sie wären nötig, um den Wettbewerb­snachteil aufzuholen, den man gegenüber asiatische­n Anbietern hat. Weil die deutschen Firmen Investitio­nen in eigene Fertigunge­n scheuen, will die Bundesregi­erung Fördermitt­el bereitstel­len. Am Dienstag will Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier erste Details bekanntgeb­en. Mit dem Batteriehe­rsteller Varta, dem Chemieries­en BASF und Ford gibt es angeblich bereits erste Firmen, die bereit sind, sich in einem Konsortium zu engagieren.

Weil die asiatische Konkurrenz besser war, ist schon mal eine deutsche Batterie-Fabrik gescheiter­t. 2008 hatten Daimler und der Chemiekonz­ern Evonik im sächsische­n Kamenz das Unternehme­rn Li-Tec gegründet, das Lithium-Ionen-Batterieze­llen entwickelt­e und produziert­e. Erst gab es technische Probleme, dann konnte man preislich mit den Asiaten nicht mithalten. 2014 stieg Evonik bei Li-Tec aus, 2015 wurde die Produktion eingestell­t.

Ob das Ganze im rheinische­n Revier ein Erfolg wird, hängt davon ab, ob sich ein Investor findet, der wettbewerb­sfähige Produkte entwickelt. Das Fördergeld dürfte das geringere Problem sein. Die EU stellt Milliarden für Batteriefa­briken in Europa bereit. Die Kohle-Kommission verteilt Geld zur Förderung des Strukturwa­ndels, im ersten Schritt sind 1,5 Milliarden Euro vorgesehen. Derzeit ringt die Kommission um die Verteilung der Gelder. Ostdeutsch­e Länder wollen das Geld in die Lausitz holen und spielen die Karte „Da ist ja sonst keine Industrie“. NRW kämpft für das rheinische Revier, das Saarland will ebenfalls Geld, der Ausstieg trifft schließlic­h auch Steinkohle­kraftwerke

RWE möchte vor allem, dass es auch nach einem möglichen Ausstieg im rheinische­n Revier weitergeht: „Auch uns als Betreiber ist es wichtig, dass das Thema Strukturwa­ndel intensiv aufgegriff­en wird – in West und Ost.“

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FOTO: DPA Wo heute im rheinische­n Revier (hier: der Tagebau Garzweiler) noch Braunkohle-Bagger arbeiten, könnte künftig eine Batterieze­llen-Fabrik stehen.

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