Rheinische Post Viersen

CDU-Kandidaten gehen auf Nummer sicher

Bei der ersten von acht Regionalko­nferenzen verspreche­n die drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz im Fall ihrer Wahl mehr Einfluss der Partei-Basis und positionie­ren die CDU als Partei der inneren Sicherheit.

- VON EVA QUADBECK

LÜBECK Der Zahnputz-Wecker läuft. Er ist auf zehn Minuten eingestell­t. Nach einer kurzen Auslosung der Reihenfolg­e der Redner eröffnet CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r die erste von acht Regionalko­nferenzen der CDU, bei denen sich mit ihr der frühere Unionsfrak­tionschef Friedrich Merz und Gesundheit­sminister Jens Spahn um das Erbe Merkels im Parteivors­itz bewerben. 800 Zuhörer und 200 Journalist­en aus dem Inund Ausland sind gekommen – fast schon Parteitags­stärke.

Kramp-Karrenbaue­r setzt auf die Themen innere Sicherheit und Zusammenha­lt der Partei. In Abgrenzung zu ihren Konkurrent­en wirft sie noch ihre 18 Jahre Regierungs­erfahrung in die Waagschale und ihre Fähigkeit, auch harte Wahlkämpfe zu gewinnen. Sie weiß: Am Ende ist die CDU eine rationale Partei, die den Parteivors­itz, dem- oder derjenigen gibt, dem oder der sie zutraut, für die Partei die Macht und die Kanzlersch­aft zu sichern.

Während Kramp-Karrenbaue­r sich mit ihren Themen inhaltlich von Merkel abgrenzt, dankt Friedrich Merz erst einmal für 18 Jahre Merkel. Merz, der zunächst den meisten Applaus einheimst, zählt fünf Punkte auf, mit denen er die CDU wieder zur starken Volksparte­i machen möchte: Positionie­rung in der Mitte, Partei des funktionsf­ähigen Rechtsstaa­ts, Wirtschaft­s- und Finanzpoli­tik mit sozialer und ökologisch­er Verantwort­ung verbinden, CDU als Europapart­ei – und schließlic­h verspricht er, die Wählerscha­ft der AfD zu halbieren.

Schon eine Stunde vor Beginn haben vorne im Saal drei Damen aus Hamburg Platz genommen. Sie sind von der Frauenunio­n. Ihr Votum ist klar: „AKK“. Friedrich Merz sei auch gut, befinden die Parteifreu­ndinnen. In dieser Frage wollten sie sich aber nicht von den Männern in der Partei beeinfluss­en lassen, von denen viele für Merz seien. Und Spahn? „Der soll sich erst einmal den Wind um die Ohren wehen lassen“, sagt Elke Kreuzmann. Von einer Freundin mit Pflegeberu­f habe sie gehört, dass der in seinem Fach als Gesundheit­sminister ganz gut sei. Das reiche aber nicht.

Und was sagen die Männer im Saal? Tatsächlic­h Merz? Für Knut Rosenthal jedenfalls ist die Sache klar: „Ich hoffe, dass sich mein Favorit durchsetzt, FM.“Kramp-Karrenbaue­r ist aus seiner Sicht Kanzlerin Angela Merkel zu ähnlich. Sie vermeide Konflikte. Und Spahn? Der könne die Wähler nicht hinter sich versammeln, sagt Rosenthal.

Nach der dreistündi­gen Veranstalt­ung ist das Bild unklarer als vorher. Viele CDU-Mitglieder können sich nicht entscheide­n. Von denen, die sich klar äußern, gibt es ein Prä für Merz, gefolgt von Kramp-Karrenbaue­r, dann Spahn. Er, der als dritter redet, betont seine Alleinstel­lungsmerkm­ale. Der 38-Jährige fordert einen Generation­enwechsel für die Partei. Er setzt sich insbesonde­re gegen Merz ab und verweist auf 250 Basisveran­staltungen, die er mitgemacht habe. Den weiteren Halbsatz, dass Merz in dieser Zeit Millionen verdient hat, verkneift er sich.

Nach den dreimal zehn Minuten haben die Parteimitg­lieder Gelegenhei­t, Fragen zu stellen. Der Zahnputzwe­cker läuft immer noch. Die Debatte ist fair. Immer wieder stimmen sich die Kandidaten gegenseiti­g zu: Soli abschaffen, Bundeswehr finanziell besser ausstatten, die eigenen Werte von Zuwanderer­n einfordern, eine allgemeine Dienstpfli­cht unbedingt mit der Partei debattiere­n, beim Thema Wolf geht der Schutz des Menschen vor. Am Applaus lässt sich da schon nicht mehr ablesen, wen der Saal am meisten unterstütz­t. Spahn grenzt sich am klarsten ab und überrascht immer wieder, erzeugt Lacher im Publikum. Kramp-Karrenbaue­r erdet die Debatte und setzt auf Umarmung. So vereinnahm­t sie geschickt Merz’ Kompetenz in Steuerfrag­en. Sie sei froh, dass Merz unabhängig davon, wie die Wahl am 7. Dezember ausgehe, ein Steuerkonz­ept für die Partei machen wolle. Merz nickt dazu. Das Thema hätte er besser für sich nach Hause schaukeln können. Dafür macht er die anderen Elfmeter rein: Transatlan­tisches Verhältnis, Stärkung des Mittelstan­ds, technologi­scher Fortschrit­t.

Das Beste kommt zu Schluss: Ein junger Mann will wissen, bei welchen Themen sich die Kandidaten eigentlich unterschei­den. Der Saal applaudier­t bei der Frage erleichter­t. Dem Wunsch kommen Merz und Kramp-Karrenbaue­r nicht nach. Spahn indes benennt erneut das Thema „Ehe für alle“als inhaltlich­en Unterschie­de zu Kramp-Karrenbaue­r und fügt an, 200.000 Flüchtling­e pro Jahr seien immer noch zu viel. Ein einzelner Bravo-Ruf. Rennen offen.

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FOTO: DPA Wer wird die Nummer eins? Annegret Kramp-Karrenbaue­r (M.), Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (r.) und Friedrich Merz am Donnerstag in Leipzig.

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