Rheinische Post Viersen

Kunst-Vergnügen im ehemaligen Stahlwerk

Die Messe Art Düsseldorf hat sich in ihrer zweiten Ausgabe noch gesteigert. Sie bietet Arbeiten aus Nachkriegs­zeit und Gegenwart.

- VON BERTRAM MÜLLER

DÜSSELDORF Zur Eröffnung der zweiten Art Düsseldorf strömten die Sammler-Paare mit einer Selbstvers­tändlichke­it, als diente ihnen dieser Kunstmarkt schon immer als Treffpunkt am Jahresende. Veranstalt­er Walter Gehlen scheint am Ziel zu sein: der Etablierun­g eines regionalen Verkaufsfo­rums, dessen Händler zur Hälfte aus dem Rheinland und den Benelux-Staaten stammen, zur anderen Hälfte aus dem übrigen europäisch­en Ausland und zu einem geringen Teil aus den USA und Asien. Die Käufer dagegen kommen wohl ausnahmslo­s aus dem Umland.

Dienten der ersten Ausgabe der Art Düsseldorf die Großen Geister des Düsseldorf­ers Thomas Schütte als Wahrzeiche­n, so gibt diesmal ein überlebens­großer kopfloser Mann in Schweinche­nrosa dem Publikum einen Denkanstoß, zusammen mit zwei kleineren Torsi und einem weiteren am Stand des Händlers, der das alles anbietet: die König Galerie aus Berlin und London, zu Preisen zwischen 30.000 und 350.000 Euro.

Der größte Teil des Angebots auf der Art Düsseldorf liegt im fünfstelli­gen Eurobereic­h, doch auch bei kleinerem Budget kann man sich schon etwas leisten, im vierund sogar im dreistelli­gen Bereich. Und wenn man auf große Künstlerna­men Wert legt und sich dabei mit Arbeiten auf Papier zufrieden gibt, bekommt man zum Beispiel bei der Kölner Galerie Boisserée einen schwarzwei­ßen Holzschnit­t von Tàpies für 9800 Euro, „Der Leser“, oder von Chillida zum selben Preis eine Radierung, „Ringsum V“.

Am oberen Ende der Preisskala hängt am Stand der Baseler Galerie Knoell ein Fontana aus dem Jahr 1960, „Concetto spaziale Attese“: eine kleinforma­tige, bronzefarb­en gestrichen­e Leinwand mit dem für Lucio Fontana typischen Kunstgriff, einem senkrechte­n Schlitz in der Mitte, zum Preis von 1,5 Millionen Euro.

Die 91 Galerien aus 19 Ländern verteilen sich anders als im Vorjahr gleichwert­ig auf zwei Hallen, die Alte Schmiedeha­lle und die einstige Kaltstahlh­alle. An beiden Orten begegnet Gegenwarts­kunst der Nachkriegs­moderne, mischen sich die Zero-Künstler, Konrad Klapheck und A. R. Penck mit Künstlern, deren Namen man erst noch lernen muss. Ein Schwerpunk­t liegt auf dem Angebot von Galerien, die nach 2008 gegründet worden sind. Veranstalt­er Gehlen nennt sie den „Post-Lehman-Bereich“, also diejenigen, die nach der Pleite der amerikanis­chen Lehman-Brothers-Bank und ihren weltweiten Auswirkung­en den Mut hatten, ausgerechn­et ein Geschäft für Kunst zu eröffnen. Im Vergleich der beiden Hallen wirkt die Kaltstahlh­alle mit ihrem kopflosen Blickfang etwas frischer als die Schmiedeha­lle, deren Mitte zwei klassisch moderne Großskulpt­uren von Tony Cragg markieren.

Hier wie dort stößt man auf erstaunlic­h viele Arbeiten aus dem laufenden Jahr, bei Marlboroug­h aus New York zum Beispiel auf eine lapidare plastische „Baguette-Pyramide“von Matt Johnson, bei Van Horn aus Düsseldorf auf eine speziell für die Messe angefertig­te, stilisiert­e Gewürznelk­e aus schwarzem, mit Pulver beschichte­tem Aluminium. Die Arbeit des Briten Paul Morrison kostet 89.000 Euro.

Manchmal trifft man auf fernöstlic­he Namen, an die man sich schlagarti­g erinnert. Tadashi Kawamata – das war doch der Japaner, der 1987 auf der Kasseler Documenta eine Kirchenrui­ne mit Bauholz ummantelte, eine trotz des spröden Materials poetische Arbeit, die sich im Gedächtnis festgehakt hat. Auf der Art Düsseldorf sind von ihm in ähnlicher Technik und aus dem laufenden Jahr Holzversch­läge als Modelle zu sehen, dank des Engagement­s der Pariser Galerie Kamel Mennour.

Auch eine aus transparen­tem, scheinbar wucherndem Plastik bestehende Skulptur des in Düsseldorf lebenden Ukrainers Aljoscha stammt von 2018. Ihr ellenlange­r Titel deutet darauf, dass sie sich mit Künstliche­r Intelligen­z befasst.

Auf bewährte Namen setzt dagegen Hans Mayer, Altmeister unter den Galeristen für Kunst der Nachkriegs­zeit. Er hat auch diesmal wieder einen Warhol im Angebot, einen zwölf Meter breiten Siebdruck „Elektrisch­er Stuhl“, der sein Thema in unterschie­dlich schreiende­n Farben variiert. Der Preis beträgt 220.000 Euro.

Die in Leipzig und Berlin ansässige, auf Kunst aus Ostdeutsch­land spezialisi­erte Galerie Eigen + Art bietet das heimliche Satyrspiel zur Art Düsseldorf, indem sie den Kunstmarkt dezent auf die Schippe nimmt. Die aus Moskau stammende Leipzigeri­n setzt den Sammlern einen gemalten „Einkaufswa­gen,

die Treppe hinabsteig­end“vor, eine Anspielung auf Aktbilder von Marcel Duchamp und Gerhard Richter und sicherlich zugleich wieder einmal eine Warnung, dass Kunst leicht zur Ware verkommt. Die Sammler werden das verkraften.

Die Art Düsseldorf hat sich schon mit ihrer zweiten Ausgabe fest in die Terminkale­nder des Kunstpubli­kums eingeschri­eben. Man sollte ihre vorgeblich­e Regionalit­ät nicht mit Provinzial­ität verwechsel­n. Denn die Kunst ist längst internatio­nal, und deutsche Händler bieten viel aus Übersee an. Manchmal tragen Galerien jenseits des Atlantiks Eulen nach Athen – etwa wenn Marlboroug­h aus New York in Düsseldorf Bilder des deutschen Malers Werner Büttner zeigt. Auch das trägt zum Vergnügen bei, das dieser Kunstmarkt seinen Freunden bereitet.

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FOTO: STUDIO ERWIN WURM Der kopflose Mann stammt von Erwin Wurm („Untitled. Big L“, 2017) und wird von der König Galerie angeboten.

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