Zweigleisiger Ausbau: Jetzt geht’s um Lärmschutz
Politiker sind in Sorge, dass die „Viersener Kurve“doch noch kommt. Die CDU will sie mit Gutachten und Wohnbebauung verhindern.
VIERSEN Im Entwurf für den neuen „Deutschland-Takt“der Deutschen Bahn ist die geplante Intercity-Verbindung von Eindhoven über Viersen nach Düsseldorf bereits enthalten, auch wenn eine wichtige Voraussetzung noch fehlt: der zweigleisige Ausbau des rund 800 Meter langen Gleisstücks zwischen Viersen-Dülken und Nettetal-Kaldenkirchen.
Das Bundesverkehrsministerium hat den Ausbau kürzlich in den „vordringlichen Bedarf“eingestuft. Übersetzt bedeutet das: Gelder werden bereitgestellt, die Strecke wird ausgebaut. Spätestens 2030 soll sie fertig sein. Anwohner der Trasse haben einen rechtsverbindlichen Anspruch auf modernen Lärmschutz. Denn auch das gehört zur Wahrheit: Die Zahl der Güter- und Personenzüge wird mit dem zweigleisigen Ausbau wohl zunehmen. „Nach Auskunft aus dem Verkehrsministerium werden aber nicht mehr als 40 Güterzüge die Strecke pro Tag befahren“, erklärte der CDU-Bundestagsabgeordnete Uwe Schummer.
In der jüngsten Sitzung des Arbeitskreises „Viersener Kurve“befassten sich die Politiker mit den Auswirkungen. Die größte Sorge: dass der zweigleisige Ausbau auch zum Bau der „Viersener Kurve“führt. Gemeint ist damit eine direkte Schienenverbindung von Viersen durchs Rahser nach Duisburg – so erhielte das Ruhrgebiet einen direkten Anschluss an die niederländischen Seehäfen. Diese Schienenverbindung wurde vom Bundesverkehrsministerium ebenfalls in den vordringlichen Bedarf eingestuft. Sie wird seit Jahren parteiübergreifend in Viersen und auch vom Kreis Viersen abgelehnt. Schummer erklärte im Ausschuss, dass die „Viersener Kurve“vom zweigleisigen Ausbau abgekoppelt sei. „Gebaut wird, was unumstritten ist. Die ,Viersener Kurve’ war mathematisch nötig, um auf einen guten Nutzen-Kosten-Quotienten zu kommen, damit der zweigleisige Ausbau in den vordringlichen Bedarf aufgenommen wird.“In einer Fußnote zum Bundesschienenwegeausbaugesetz heißt es, dass bei der weiteren Planung auch eine stadtverträgliche umfahrende Alternative geprüft werden soll. „Diese Prüfung und Planung kann zu nachrangiger Umsetzung des Teilabschnitts führen“, heißt es in der Projektbeschreibung.
Davon sind nicht alle Politiker in Viersen überzeugt. „Solch eine Alternative gibt es in Viersen nicht“, sagte Olaf Fander (FürVie). Der zweigleisige Ausbau rechne sich nur, wenn mehr Güterverkehr komme. Stephan Sillekens (CDU) ist sich sicher: „Die ,Viersener Kurve’ soll zwar erst im nachfolgenden Bundesverkehrswegeplan konkretisiert werden, aber der Gedanke daran ist keineswegs tot.“
Der CDU-Fraktionsvorsitzende hat deshalb einen umfangreichen Antrag an die Stadtverwaltung gestellt. Sie soll schnellstmöglich klären, ob es eine stadtverträgliche Umfahrung überhaupt geben kann. Falls ja: Wie sie aussehen könnte und mit welchen Kosten sie verbunden sei. Auch sein Parteikollege Schummer rät der Stadt dringend, ein entsprechendes Gutachten – geschätzte Kosten: 70.000 Euro – in Auftrag zu geben. Im Rahmen der Bürgerbeteiligung müsse zwar die DB Netz ein solches Gutachten ebenfalls beauftragen, besser aber sei es, frühzeitig die Fakten zu kennen. Er wolle sich dafür einsetzen, dass die DB Netz einen Teil der Gutachtenkosten übernehme.
Sillekens will zur Verhinderung der Viersener Kurve mehrgleisig fahren. Zum einen das Gutachten zur „stadtverträglichen Umfahrung“. Zum anderen soll der Preis für eine Viersener Kurve durchs Rahser so stark in die Höhe getrieben werden, dass die Bahn sie ausschließen muss. „Ähnliche Diskussionen in anderen Städten haben zum Beispiel gezeigt, dass vorhandene Bebauung in der unmittelbaren Nähe der geplanten Trasse erheblichen Einfluss auf die spätere tatsächliche Trassenführung nehmen kann“, berichtet der CDU-Fraktionsvorsitzende. „Wir fordern daher die Stadtverwaltung auf, die Schaffung eines Baugebietes zwischen der Trasse und der nördlichen, heute existierenden Bebauung im Ortsteil Rahser schnellstmöglich vorzunehmen und die Realisierung voranzutreiben.“
Auch die Stadt richtet sich auf umfangreiche Planungsarbeiten ein. „Das Thema ist vielschichtig“, erklärte Stadtplaner Harald Droste. „Wir werden deshalb eine Projektgruppe in der Stadtverwaltung einrichten.“Es gehe um zahlreiche Ingenieurbauwerke. Der zweigleisige Ausbau habe Auswirkungen beispielsweise auf die die heutigen Bahnquerungen. „Wir wollen das Heft des Handelns in der Hand halten“, betonte Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) im Arbeitskreis. Dabei geht’s auch um städtisches Geld: Neben DB Netz AG und Straßen.NRW wird beim Neubau von Unterführungen vermutlich auch die Stadt zahlen müssen.
Die CDU hat in ihrem Antrag bereits konkrete Forderungen formuliert. „Durch das erhöhte Verkehrsaufkommen auf der Schiene sind die heutigen Querungen vielfach nicht mehr tragbar“, sagt Sillekens. Für die Querung an der Bürgermeister-Voß-Allee in Dülken wünscht er sich eine weiträumige Lösung, will verschiedene Unterführungsmöglichkeiten geprüft wissen. Neben dieser Querung mit hohem Verkehrsaufkommen sollen nach Ansicht der CDU auch die Querungen der Bahnlinie am Pütterhöferweg, Peelsheide, Am Busch und Schündelenhöfe überplant werden. Besondere Sorgen bereitet ihr die Streckenführung über Boisheim. Sillekens: „An der Stelle ist nur eine Unterführung möglich, um den Straßenverkehr ohne intensives Stauaufkommen in Boisheim weiterzuleiten.“