Die Prinzenrolle verlässt Kempen
Die gesamte Doppelkeks-Produktion soll schrittweise bis Ende 2020 in den thüringischen Produktionsstandort Kahla verlegt werden. Insgesamt 270 Mitarbeiter sind betroffen. Sie wurden am Freitag informiert.
KEMPEN Diese Nachricht sprach sich am Freitagnachmittag in Kempen schnell herum und sorgte für betrübte Gesichter. Kempen verliert die Prinzenrolle. Bei einer Betriebsversammlung erfuhren die Mitarbeiter von Griesson – de Beukelaer an der Arnoldstraße, dass der traditionsreiche Standort bis Ende 2020 geschlossen wird. Das Unternehmen verlagert die gesamte Doppelkeks-Produktion („Prinzenrolle“) von Kempen in das thüringische Kahla, den mittlerweile größten Standort des Familienunternehmens.
Für die Beschäftigten im Kempener Werk ist die Nachricht ein schwerer Schlag: Zwar sollen die insgesamt 270 Mitarbeiter, die von der Produktionsverlagerung betroffen sind, Arbeitsplätze an anderen Standorten angeboten bekommen. Aber die meisten werden ein solches Angebot nicht annehmen können. „Sie sind in Kempen und am Niederrhein mit ihren Familien verwurzelt. Nach Polch in der Eifel oder nach Thüringen zu wechseln, kommt wohl nur für wenige in Frage“, sagte Kempens Bürgermeister Volker Rübo auf Anfrage unserer Zeitung. Er war gegen Mittag vom Griesson-de Beukelaer-Gesellschafter Andreas Land telefonisch über die Entscheidung der Unternehmensleitung informiert worden. Land selbst hatte die Mitarbeiter in Kempen unterrichtet. „Wir wissen, dass dieser Schritt eine Zäsur für Kempen bedeutet“, teilte er mit. Er verwies auf die Möglichkeit für die Beschäftigten, „zu gleichen wirtschaftlichen Konditionen in Kahla oder an anderen Standorten weiter beschäftigt zu werden“. Die Geschäftsleitung werde gemeinsam mit der Arbeitnehmervertretung „einen fairen Sozialplan sowie ein Freiwilligenprogramm für diejenigen Mitarbeiter erarbeiten, die die Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nicht nutzen können oder wollen“, kündigte Land an.
Als Grund für die komplette Verlagerung nannte Griesson – de Beukelaer „notwendige Investitionen in neue, flexible und effizientere Produktionslinien sowie in weitere Logistikkapazitäten“. Dies sei am Standort in Kempen nicht möglich. In der Tat ist das Werk an der Arnoldstraße zum Teil veraltet. Große Teile der technischen Infrastruktur stammen aus dem Jahr 1955, als der Belgier Edouard de Beukelaer in Kempen seine flämische Keksfabrik eröffnete. Seit 1999 werden hier unter anderem die beliebten Doppelkekse der „Prinzenrolle“hergestellt. Damals fusionierte de Beukelaer mit Griesson und General Biscuits.
Die Firmenzentrale des Familienunternehmens befindet sich in Polch im Landkreis Mayen-Koblenz. Das Unternehmen hielt aber über die Jahre am Standort Kempen fest. Das dokumentierte Peter Gries aus der Inhaberfamilie durch regelmäßige Besuche in der Thomasstadt. Er sorgte auch dafür, dass Griesson – de Beukelaer als Hauptsponsor alljährlich den Kempener Altstadtlauf unterstützte. „Bei seinen Besuchen hat er uns immer versichert, dass Kempen ein wichtiger Standort für das Unternehmen bleibt“, erklärte Bürgermeister Rübo. Nichts habe darauf hingedeutet, dass Griesson – de Beukelaer die Produktion in Kempen doch so bald schließen werde.
Ab Herbst 2019 soll die Produktion schrittweise nach Thüringen verlagert werden. Das Unternehmen rechnet damit, dies bis Ende 2020 abschließen zu können. Geprüft werde derzeit noch, ob der Fabrikverkauf in Kempen bleiben könne. Für Kempen und vor allem die betroffenen Beschäftigten ist das ein schwacher Trost. „Dieser Aderlass tut sehr weh“, meinte Bürgermeister Rübo. Er werde zwar noch weitere Gespräche mit den Verantwortlichen des Unternehmens führen. Aber der Gesellschafter Andreas Land habe ihm bereits klargemacht, dass die Entscheidung für die Werksschließung in Kempen endgültig sei. Der Standort in Kahla soll ausgebaut werden. Seit 25 Jahren produziert das Unternehmen dort mit 435 Mitarbeitern. 2017 erwirtschaftete Griesson – de Beukelaer mit insgesamt 2100 Beschäftigten einen Umsatz in Höhe von 501 Millionen Euro.