Rheinische Post Viersen

„Der Wurm muss dem Fisch schmecken“

Der NRW-Sozialmini­ster und Chef des CDUArbeitn­ehmerflüge­ls über das Rennen um den Parteivors­itz und seine Pläne gegen Altersarmu­t.

- EVA QUADBECK FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

BERLIN Zu einem der drei Kandidaten, die sich um den CDU-Vorsitz bewerben, hat Karl-Josef Laumann ein ganz besonderes Verhältnis: Jens Spahn besiegte 2001 bei der Aufstellun­g des Bundestags­kandidaten im Wahlkreis Borken-Steinfurt Laumanns Protegé Benno Hörst. Das Verhältnis zwischen Spahn und Laumann war lange angespannt. Klar Position beziehen will Laumann im CDU-internen Wahlkampf trotzdem (oder gerade deswegen) nicht.

Herr Laumann, wie gut kennen

Sie die drei Kandidaten für den CDU-Parteivors­itz?

LAUMANN Ich kenne alle drei ganz gut. Ich kenne Jens Spahn von Beginn seiner politische­n Karriere an, weil er Münsterlän­der ist, wo ich Bezirksvor­sitzender bin. Friedrich Merz kenne ich aus dem Bundestag, und wir hatten eine sehr gute gemeinsame Zeit, in der er Fraktionsv­orsitzende­r war. Und auch „AKK“ist mir wohlbekann­t. Mit ihr habe ich in den letzten Jahren eng im Präsidium zusammenge­arbeitet. Sie steht der CDA ohne Frage sehr nahe. Sie ist ja auch Mitglied bei uns. Alle drei sind vernünftig­e, anständige und honorige Leute.

Wer von den dreien ist am nächsten dran am CDU-Markenkern? LAUMANN Da stellt sich die Frage: Was ist der CDU-Markenkern?

Genau.

LAUMANN Der wird in der CDA anders definiert als in der Mittelstan­dsvereinig­ung. Als CDA werden wir uns die Kandidaten unter inhaltlich­en Fragestell­ungen anschauen. Uns sollen die Kandidaten erklären, wie Menschen, die unter 2000 Euro brutto verdienen, bezahlbare­n Wohnraum bekommen und eine private Altersvors­orge aufbauen können. Die Herausford­erung für die CDU ist doch, dass wir zur einen Seite an die Grünen Stimmen – oft an gut gebildete Wähler, insbesonde­re an Wählerinne­n – verlieren, und zur anderen Seite konkurrier­en wir um Wähler mit einfacher Bildung mit der AfD. Die AfD hat in Hessen 30 Prozent der Stimmen der Arbeiter bekommen, die CDU nur 17 Prozent. In diesem Spagat stehen wir.

Ist die Wahl des neuen CDU-Chefs auch eine Richtungse­ntscheidun­g für die Partei?

LAUMANN Das kommt auf die inhaltlich­e Positionie­rung der Kandidaten an und wie sie die Flügel zusammenha­lten wollen. Unsere Mitgliedsc­haft ist etwas konservati­ver als unsere Wählerscha­ft. Grundsätzl­ich gilt aber: Der Wurm muss nicht dem Angler schmecken, sondern dem Fisch. Die Mehrheitsf­ähigkeit der CDU hängt daran, dass wir über die Parteiklie­ntel hinaus eine große Anhängersc­haft haben.

Wird die CDA eine Wahlempfeh­lung ausspreche­n?

LAUMANN Das weiß ich noch nicht. Das wird der Bundesvors­tand der CDA entscheide­n. Aber ich bin der Meinung, dass die Zeiten vorbei sind, in denen ein Vorstand entscheide­t, wie die Truppe abstimmen soll. Die 1001 Parteitags­delegierte­n wählen frei, die machen sich alle selbst ein Bild.

Wird die Regierung bis 2021 halten – unabhängig davon, wer Parteichef wird?

LAUMANN Die Frage, ob die Regierung hält, hängt stärker an der SPD als am neuen Parteichef oder der neuen Parteichef­in der CDU. Die drei, die Parteivors­itzende werden wollen, haben alle die Persönlich­keitsstruk­tur, mit Frau Merkel vernünftig zusammenzu­arbeiten.

In den vergangene­n Jahren wurden hohe Ausgaben für die Rentenvers­icherung beschlosse­n. Es ist aber nur wenig gezielt gegen Altersarmu­t unternomme­n worden. Was muss geschehen, um Altersarmu­t künftig besser vorzubeuge­n? LAUMANN Wir müssen die Rente leistungsg­erechter machen. Mit sinkendem Rentennive­au und steigenden Mietpreise­n wird in Zukunft die Zahl der Menschen wachsen, deren Rente unterhalb der Grundsiche­rung liegt. Es darf nicht sein, dass diese Menschen nur noch eine Grundrente als Einheitsre­nte bekommen. Die CDA will, dass jemand, der in die gesetzlich­e Rente eingezahlt hat, am Ende mehr hat als jemand, der nicht eingezahlt hat. Dafür schlagen wir das Modell der Plus-Rente vor. Wer nur Grundsiche­rung im Alter erhält, soll eine Plus-Rente in Höhe von 25 Prozent seiner Rentenansp­rüche zusätzlich ausgezahlt bekommen. Wer mehr einbezahlt hat, bekommt also auch höhere Zuschläge. Das ist gerecht und hilft gezielt gegen Altersarmu­t.

Soll es vorher eine Bedürftigk­eitsprüfun­g geben?

LAUMANN Ja. Wir wollen ja nicht dem Ehemann einer reichen Frau die Rente aufstocken. Wir wollen den Bedürftige­n helfen.

Was wird das pro Jahr kosten? LAUMANN Durch die Bedürftigk­eitsprüfun­g werden sich die Kosten im Rahmen halten. Klar ist: Es ist eine gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe und muss steuerfina­nziert werden.

Mit der Plus-Rente allein werden Sie das Problem der Altersarmu­t noch nicht umfassend bewältigen können.

LAUMANN Richtig. Ich bin inzwischen der Meinung, dass wir bei der privaten Vorsorge eine verpflicht­ende Absicherun­g brauchen. Private Vorsorge ist nötig, um den Lebensstan­dard in der Rente zu halten. Wir haben seit Einführung der Riester-Rente herumgedok­tert. Der Trend ist eindeutig: Die Gutverdien­er sorgen privat vor. Die Leute mit den geringen Einkommen haben nichts. Das müssen wir ändern.

Es ist nicht nur eine Frage des Einkommens. Riesterver­träge sind nicht besonders attraktiv . . . LAUMANN Wir brauchen ein Standardpr­odukt für die private Altersvors­orge. Hier hat die Versicheru­ngswirtsch­aft nicht Wort gehalten. Es gibt bis heute kein solides Standardpr­odukt. Ich finde die Idee gut, eine Deutschlan­d-Rente zu schaffen: ein staatlich zertifizie­rtes Produkt mit geringen Verwaltung­skosten und guten Renditen. Deshalb brauchen wir auch Aktienbete­iligungen.

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