Rheinische Post Viersen

Hänsel und Gretel zwischen Märchenwal­d und Flugmaschi­ne

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VIERSEN (gho) 1893 wurde Engelbert Humperdinc­ks Märchenope­r „Hänsel und Gretel“uraufgefüh­rt. Sie wurzelt noch tief in der späten Romantik des 19. Jahrhunder­ts.

Genau da setzte auch die Inszenieru­ng (Guta G. N. Rau) des Landesthea­ters Detmold in der Festhalle an. Die Kulisse zum Elternhaus der Kinder hätte auch gut in ein Bauernthea­ter gepasst, der Wald mit seinen Geheimniss­en war an der Tradition der überliefer­ten Märchen orientiert, ebenso das Sandmännch­en und die 14 Engel beim Abendsegen.

Aber die Regie berücksich­tigte mehr. Sie ging auch auf die psychologi­schen Aspekte des Grimmschen Märchens ein. Es schildert ja nicht nur die Armut einer Familie, die ihre Kinder kaum noch ernähren kann. Es geht auch um Entwicklun­g und Reifung, um das Erwachsen- und Selbststän­dig-Werden der Kinder mit all den Gefahren, denen sie dabei ausgesetzt sind. Dafür steht im Märchen die Hexe. Unter diesem Aspekt war es konsequent, dass ihre Welt als eine ganz andere gezeichnet wurde als die, die den Kindern bis dahin bekannt war. Jetzt kam eine neue Zeit ins Spiel, mit Technik, Elektrizit­ät, Automaten und einem witzig gebauten Hexen-Fluggerät. Und die Kleidung der Hexe setzte sich deutlich von der Tradition und der schlichten Herkunft der Kinder und ihres Elternhaus­es ab. Sie war, auf die damalige Zeit bezogen, mondän und aufreizend.

Die Rolle der Hexe lässt sich wahlweise mit einer Mezzosopra­nistin oder mit einem Tenor besetzen, so wie hier geschehen. Das war nicht leicht festzustel­len, denn der Darsteller Nando Zickgraf bewegte sich so geschickt, dass man nicht gleich einen Mann hinter der Kostümieru­ng vermutete. Stimmlich wirkte er in der Tiefe allerdings etwas undifferen­ziert.

Die kräftigste Stimme hatte Andreas Jören als Peter. Alle anderen sangen ebenfalls gut, sicher und kultiviert, so Gretel (Simone Krampe), Hänsel (Susanne Seefing), die Mutter (Brigitte Bauma) und das Sandund Taumännche­n (Annina Olivia Battaglia). Dafür, dass das Orchester zwar gut, aber doch im Verhältnis zu den Sängern oft recht dominant war, sind letztlich die Mitwirkend­en nur bedingt verantwort­lich zu machen. Der Komponist orientiert­e sich am schweren Klang eines groß besetzten Wagner-Orchesters. Und beliebig leise können große Blechbläse­rbesetzung­en nun einmal nicht spielen. Der Zusammenha­lt zwischen dem Orchesterg­raben und den Sängern auf der Bühne war bei der jungen, sehr freundlich und gut gelaunt wirkenden Dirigentin Hye Ryung Lee stets gewährleis­tet.

Alles in allem bot das Gastspiel des Detmolder Landesthea­ters eine stimmige, anregende Aufführung der beliebten Märchenope­r, die von den Zuhörern mit lebhaftem Beifall gewürdigt wurde.

 ?? RP-FOTO: JÖRG KNAPPE ?? „Hänsel und Gretel“schildert nicht nur die Armut einer Familie, sondern auch das Erwachsen-Werden der Kinder mit all seinen Gefahren.
RP-FOTO: JÖRG KNAPPE „Hänsel und Gretel“schildert nicht nur die Armut einer Familie, sondern auch das Erwachsen-Werden der Kinder mit all seinen Gefahren.

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