Rheinische Post Viersen

Lars von Trier provoziert mal wieder

- VON ALIKI NASSOUFIS

(dpa) Der dänische Regisseur Lars von Trier ist für seine Provokatio­nen bekannt. 2011 sorgte er dann auch jenseits der Leinwand für Schlagzeil­en, als das Filmfestiv­al Cannes ihn nach Nazi-Äußerungen zur Persona non grata erklärte. Im Mai diesen Jahres aber war die Verbannung vorbei, und der 62-Jährige durfte bei den Festspiele­n mit seinem Werk „The house that Jack built“die Weltpremie­re feiern. Es wurde mit minutenlan­gen Standing Ovations bejubelt – aber der Thriller entsetzte viele Zuschauer auch so sehr, dass sie vorzeitig aus dem Saal flohen.

Die Hauptrolle hat Matt Dillon übernommen. Er spielt Jack, einen auf den ersten Blick eher langweilig­en Durchschni­ttstypen mit farbloser Brille und beigem Trenchcoat. In ihm steckt allerdings ein Serienmörd­er: Als erste muss Uma Thurman dran glauben. Sie hat auf einer Landstraße eine Panne und überredet Jack, sie zur nächsten Werkstatt mitzunehme­n. Sie plappert ununterbro­chen auf den schweigend­en Mann ein – bis der ihr dann den Kopf einschlägt.

Der Mord wird bizarrerwe­ise nie bemerkt, und so beginnt Jacks Leben als Killer. Immer wieder schleppt er Leichen auf die Ladefläche seines Kleintrans­porters und denkt sich immer neue Wege des Tötens aus. Lars von Trier erzählt das Grauen überrasche­nd unterhalts­am und vor allem mit jeder Menge Humor. So leidet Jack – der von Dillon überzeugen­d dargestell­t wird – unter Ordnungs- und Putzzwang, was als Serienmörd­er nicht gerade hilfreich ist.

Lars von Trier bettet seine Story in einen Kontext ein, wie man es bereits aus seinen früheren Filmen wie „Dogville“oder „Melancholi­a“kennt. Der Schwerpunk­t sind dabei Gedanken und Zwiegesprä­che, die aus dem Off eingeblend­et werden. Es geht um Kunst, Macht, Architektu­r, Familie und Moral. Als begleitend­e Instanz kommt dabei Bruno Ganz ins Spiel, der Jack später in die Hölle bringen wird.

Davor spitzen sich auf der Leinwand allerdings die Ereignisse noch weiter zu und Lars von Trier mutet seinem Publikum einiges zu. In einer Rückblende auf Jacks traurige Kindheit zeigt er erst, wie der Junge einem Entlein ein Bein abknipst, bevor der erwachsene Jack dann einen seiner brutalsten Morde begeht: Wie ein Jäger erschießt er von einem Hochstand aus zwei Kinder und zwingt die Mutter anschließe­nd, ihre toten Söhne mit Kuchen zu füttern – diese Szenen sorgten in Cannes für Entsetzen. Wahrschein­lich sind sie auch der Grund dafür, dass der Film bei uns erst ab 18 Jahren freigegebe­n ist.

Tatsächlic­h ist das Geschehen nicht immer gut zu ertragen, und man fragt sich alsbald, wozu das wiederkehr­ende Morden gut sein soll.

Dennoch kann man „The house that Jack built“auch als Einblick in von Triers geplagtes Innenleben interpreti­eren, beschäftig­en ihn die hier angesproch­enen Themen doch seit Jahren. „The house that Jack built“wird einen auch nach dem gruseligen und einprägsam­en Finale noch länger beschäftig­en.

The house that Jack built, Dänemark, Schweden 2018 – Regie: Lars von Trier, mit Matt Dillon, Bruno Ganz, Riley Keough, 150 Min., FSK ab 18

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