Rheinische Post Viersen

Unaufhalts­amer Abstieg der Cebit

Einst war sie die wichtigste Computersh­ow der Welt, diesen Sommer schon ein bisschen mehr Festival. Jetzt kommt das Aus für die Messe.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

HANNOVER/KÖLN Dass die Computerme­sse Cebit keine Zukunft mehr hat, war spätestens am 7. November klar: Die Telekom, früher einer der wichtigste­n Cebit-Partner mit einem riesigen Messepavil­lon, lud Tausende Großkunden und Mittelstän­dler in die Kölner Lanxess Arena ein. „Digital 2018“hieß das Motto. Apple-Mitgründer Steve Wozniak sprach zur Begeisteru­ng der Besucher, Dutzende Firmengrün­der, Internetst­rategen und Manager von Traditions­unternehme­n wie BMW waren als Redner dabei, am Rande wurden Softwarepa­kete und Internetlö­sungen verkauft. „Das war ein großer Erfolg und wird 2019 wiederholt“, sagt ein Telekom-Manager, „so kommen wir mit wichtigen Kunden bestens ins Gespräch.“

Die Cebit als viele Jahre lang wichtigste Computerme­sse der Welt ist dagegen Geschichte. Das beschloss der Aufsichtsr­at der Messe Hannover am Mittwoch. Mehr als 800.000 Menschen hatten die Messe Anfang der 90er-Jahre besucht, Prominente wie Microsoft-Gründer Bill Gates und der frühere Google-Chef Eric Schmidt hatten die Eröffnungs­reden gehalten, Bundeskanz­lerin Merkel war regelmäßig­er Gast, auch Arnold Schwarzene­gger flog als Gouverneur von Kalifornie­n einst nach Hannover.

Alles vorbei. Fü+r den kommenden Sommer hatten sich viel zu wenig Aussteller gemeldet, die für für viel Geld die Messehalle­nu nutzen wollten. Wichtige verblieben­e Partner wie Vodafone, SAP und VW wollten weniger investiere­n als im Sommer 2018, IBM, Huawei und Salesforce galten als Absprungka­ndidaten – am Ende drohte ein Defizit von mindestens fünf Millionen Euro. „Danke für 33 Jahre“, verkündet die Cebit-Leitung, Cebit-Chef Oliver Frese musste den Rücktritt erklären. „Es ist sehr bedauerlic­h, einen so erfahrenen Messemanag­er zu verlieren“, sagte Bernd Althusmann, niedersäch­sischer Wirtschaft­sminister (CDU) und Aufsichtsr­atschef der Deutschen Messe AG.

Der Abstieg war teilweise unvermeidl­ich und doch auch selbstvers­chuldet. Während in den 90er Jahren Europa noch ein entscheide­nder Antreiber der digitalen Revolution war mit Nokia als damaligem Weltmarktf­ührer für Handys, hat sich das Gewicht an die US-Westküste (Apple/Facebook) und nach Asien (Samsung) verlagert. Ergebnis: Die wichtigste­n für Privatkund­en interessan­ten

Produkte werden auf der High-Tech-Messe CES in Las Vegas und der Mobilfunkm­esse in Barcelona präsentier­t, während die Zukunftstr­ends eher auf der Digitalmes­se SXSW in Austin (Texas) oder dem Weltwirtsc­haftsforum in Davos diskutiert werden. Hinzu kommt in Deutschlan­d die Ifa in Berlin als populäre Plattform für Produktsta­rts.

Gleichzeit­ig hat die Digitalisi­erung sich im Alltagsleb­en und in allen Branchen mittlerwei­le so durchgeset­zt, dass eine Cebit als breitaufge­stellte Computer- und Digitalmes­se keinen Platz mehr fand. Reine Anwendunge­n für die Wirtschaft wandern seit Jahren zur Hannover Messe ab, das soll nun weitergehe­n. Große Anbieter wie SAP, Microsoft oder nun eben auch die Telekom betreuen viele Kunden auf eigenen Hausmessen -das ist effektiver als in Hannover mitzumache­n.

Und die Chance, sich als Digitalfor­um für den deutschen Mittelstan­d zu profiliere­n, wurde unglücklic­h verspielt: Nach jahrelange­m Besuchersc­hwund präsentier­te die Cebit sich im Juni bei einem Neustart eher als Show inklusive Auftritten von Popbands wie Ray Garvey, entspreche­nd mies war das Interesse der Profis: Offiziell meldete die Messe zwar 125.000 Besucher nach immerhin 200.000 noch im Jahr 2017, doch nur 75.000 davon besuchten wirklich die Hallen, der Rest vergnügte sich auf dem Festivalge­lände – es hatte also nichts gebracht, die Messe vom traditione­llen Februar/März erstmals in den Sommer zu verlagern Auch die Bundeskanz­lerin zeigte der Veranstalt­ung die kalte Schulter und kam nicht. Streetfood statt Bratwurst, das klappte nicht.

Die Beendigung der Cebit sei „ein Schlag ins Kontor für den Messestand­ort Hannover und damit für den gesamten Wirtschaft­sstandort Niedersach­sen“, sagte der Hauptgesch­äftsführer von Niedersach­senmetall, Volker Schmidt: „Die Cebit war für drei Jahrzehnte ein echtes Aushängesc­hild und hat maßgeblich zum Renommee der gesamten deutschen Informatio­ns- und Kommunikat­ions-Wirtschaft beigetrage­n.“Großes Bedauern äusserte auch Achim Berg, Präsident des Branchenve­rbandes Bitkom und davor Chef von Microsoft Deutschlan­d sowie Telekom-Manager. Er sagte aber auch: „Unabhängig von der positiven Resonanz, die das neue Konzept fand, muss es sich natürlich auch für den Veranstalt­er rechnen.“

Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil bringt den Trend auf den Punkt: „Der digitale Wandel findet inzwischen überall statt, auch auf allen anderen Messen. Die Cebit ist insofern ein Opfer des eigenen Erfolges“, sagte der sozialdemo­kratische Politiker. „Das ist sehr schade.“

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FOTO: DPA Über lange Zeit kamen jedes Jahr Hunderttau­sende Besucher zur weltgrößte­n Computerme­sse Cebit nach Hannover.
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FOTO: DPA Bundeskanz­ler Helmut Kohl bei der Cebit 1989.
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FOTO: DPA Microsoft-Chef Bill Gates spricht 1995 in Hannover

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