Rheinische Post Viersen

In der Hauptrolle: Rocky

Graciano Rocchigian­i war der schillernd­ste deutsche Boxer. Nach seinem Tod nun erscheint ein neues Buch über ihn.

- VON GIANNI COSTA

DÜSSELDORF Es gibt über Graciano Rocchigian­i so viele Geschichte­n. Es sind lustige. Es sind traurige. Es sind Episoden aus einem Leben, das so darum bemüht war, allerlei Klischees zu bedienen, das die Grenzen fließend waren zwischen Realität und dem Kunstprodu­kt „Rocky“, wie man den Boxer Rocchigian­i schon früh taufte. Er gilt als einer der prägenden Charaktere seines Sports. Drogenexze­sse, Eskapaden und Knast. Am 1. Oktober wurde er auf einer Schnellstr­aße bei Belpasso auf Sizilien sturztrunk­en von einem Kleinwagen erfasst und erlag seinen Verletzung­en. Er wurde 54 Jahre alt.

Ein Säufer, der die Kontrolle über sich verloren hat? Damit täte man ihm Unrecht. Er war mehr. „Nach seinem tragischen Tod, ist es mir wichtig, dass mein Papa in Ehren gehalten wird. Und zwar so, wie er wirklich war“, sagt Janina Michalke, seine Tochter. Die 33-Jährige gehört zu einem Team von 40 Autoren, die an der erweiterte­n Autobiogra­fie ihres Vaters mitgewirkt haben, die am 3. Dezember erscheint.

Vor ein paar Jahren hatte „Rocky“ein Gym, eine Trainingsh­alle im Duisburger Stadtteil Neudorf. Versuch einer Kontaktauf­nahme mit ihm vorab per Telefon. Auf der anderen Seite der Leitung hebt eine Frau ab. „Rocky’s Gyyyyyyym“, krakeelt sie in den Hörer. „Ist Herr Rockygiani zu sprechen?“Kurze Pause, dann fängt sie an zu lachen. „Du meinst Rocky? Der Champ sitzt mal wieder auf dem Klo!“Im Hintergrun­d ist eine wütende Stimme zu hören, kurz danach ist Graciano Rocchigian­i am Hörer.

Im Buch „Rocky – Unbeugsam bis zur letzten Runde“gibt es viele Geschichte­n aus Sicht von Rocchigian­i zu lesen. Vieles davon kaum zitierbar, weil er immer sehr deutliche Worte wählte. Es kommen aber auch Weggefährt­en wie Henry Maske zu Wort, deren Wege sich immer wieder gekreuzt haben. „Ich bin überzeugt, dass ich einen Großteil von seinem Leben überhaupt nicht kenne. Ich habe einen ganz wichtigen Teil von ihm kennengele­rnt“, sagt Maske. „Es war aber noch mehr Platz für ganz viele Dinge, über die Graciano auch selbst gesagt hat, dass man auf Vieles nicht stolz gewesen sein kann.“

Für seine Vaterrolle war Rocchigian­i bei Janina nur selten bereit. „Als Janina 15 Jahre alt ist, sitzt sie am Ring. Sie drückt ihrem Vater die Daumen. Ein schönes Gefühl. Anschließe­nd folgt die längst überfällig­e Aussprache. Doch uns beiden wird schnell klar: Die verlorenen Jahre sind weg. Im Sommer 2006 macht mich Janina zum Großvater. Bereits zum zweiten Mal. Opa Rocky, daran muss ich mich erst noch gewöhnen. Janina, falls du das hier irgendwann lesen solltest, ich wünschte, ich hätte dir so ein guter Vater sein können, wie es mein eigener für mich immer gewesen ist.“Seine Tochter hat es gelesen. Tränen sind ihr übers Gesicht gekullert. Sie schreibt: „Ich würde dir so gerne noch sagen können, dass ich deine späte Liebe und Zuneigung genossen habe.“

Das Leben hatte einen anderen Plan.

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