„Ruhestand ist einfach nichts für mich“
„Ran“, „Sportschau“, „Doppelpass“und eine eigene Talkshow: Sportmoderator Jörg Wontorra wird am Freitag 70.
BREMEN (dpa) Jörg Wontorra redet gerne. Und am liebsten plaudert er über Fußball. Wer mit ihm schon einmal einen langen Abend an einer Hotel-Bar verbracht hat, kann das bestätigen. Aber Wontorra fühlt sich auch im Scheinwerferlicht wohl. Deshalb wird der Sportmoderator auch nach seinem 70. Geburtstag weiter vor der Kamera stehen.
Oder besser gesagt: sitzen. Denn seit der Saison 2017/18 ist er wieder im Geschäft und arbeitet für Sky Sport News als Gastgeber der nach ihm benannten Sendung „Wontorra – der Fußball Talk“. Kurioserweise tritt er mit seiner neuen Sendung gegen seine alte an: Das TV-Urgestein war zuvor bei der Konkurrenz unter Vertrag und dort Gastgeber des Fußball-Talks „Doppelpass“beim frei zum empfangenden Sender Sport1, der früher DSF hieß. Durchschnittlich 156.000 Zuschauer pro Sendung hat er in dieser Saison. Bei Sport1 waren es erheblich mehr.
Im Fußball werden Spieler als Wandervogel bezeichnet, wenn sie ständig den Verein wechseln. Wontorra ist ebenfalls einer: im Privatleben mit drei Ehen und im Medien-Business. Der in Lübeck geborene Wontorra hat eine durchaus schillernde Karriere hingelegt, die beim Norddeutschen Rundfunk begann und ihn früh zu Radio Bremen und als Moderator zum ARD-Klassiker „Sportschau“brachte.
Diese Bekanntheit nutzte er. 1992 wechselte Wontorra zum privaten Fernsehen und heuerte bei Sat.1 an, wohin die TV-Rechte der Fußball-Bundesliga gewandert waren. Als Moderator und Kommentator der Fußball-Sendung „ran“stand er neben Reinhold Beckmann im Blickpunkt bei der neuen, bunten Art der Fußball-Präsentation. Anschließend ging es weiter zu Premiere, dem Vorläufer von Sky, wo er im August 2000 die erste Bundesliga-Konferenz moderierte. Und von 2004 bis 2015 präsentierte er elf Jahre lang den „Doppelpass“auf Sport1. Danach vermisste er etwas: „Eineinhalb Jahre nach meiner letzten Sendung muss ich mir eingestehen: Ruhestand ist einfach nichts für mich. Ich liebe den Fußball und nichts ist schöner, als darüber zu diskutieren.“ Das tut er seit August 2017 wieder jede Woche, immer sonntags von 10.45 bis 12.30 Uhr, mit wechselnden Gästen.
Bei Sky waren sie mächtig stolz bei ihrer Neuverpflichtung. „Jörg Wontorra ist eine der prägenden Persönlichkeiten des deutschen Sportjournalismus“, schwärmte Sportchef Roman Steuer. Weniger erfolgreich waren Wontorras Ausflüge
ins Show-Business mit „Bitte melde dich“und „Erben gesucht“.
Im Sport kennt sich der Journalist eben am besten aus und bleibt bei aller Begeisterung für den Fußball immer kritisch. Was ihm ausgerechnet bei Werder Bremen – „mein Verein“, wie er unumwunden zugibt – einige Male Ärger einbrachte.
1987 verhängte Werder sogar ein Interview-Verbot für Trainer, Manager und Spieler, weil Wontorra in einem Bericht über das UEFA-Pokalspiel gegen Mjöndalen IF (0:1) von „Betrug“gesprochen hatte. Unbeliebt machte er sich auch, als er vor knapp sechs Jahren in einer Kolumne des „Weser-Kuriers“über die damalige Werder-Führung schrieb: „Der Fisch stinkt vom Kopf.“