Rheinische Post Viersen

Blitz-Gegentore ärgern Borussia

An den vergangene­n vier Spieltagen wurde Gladbach zweimal kalt erwischt und kassierte in der ersten Minute das 0:1. Die Anfälligke­it zu Beginn soll kein Normalfall werden, zumal nun das offensivst­arke Leipzig auf Borussia wartet.

- VON THOMAS GRULKE

Die Borussen machten es am Sonntagabe­nd gegen Hannover 96 wie die deutsche Nationalma­nnschaft im WM-Finale gegen die Niederland­e 1974: Bevor sie erstmals den Ball berührten, stand es bereits 0:1. Während 1974 in München Johan Neeskens nach dem ersten Angriff der Niederländ­er einen Foulelfmet­er verwandelt­e, benötigten nun die Gäste aus Niedersach­sen sieben Ballkontak­te, um nach 22 Sekunden im Borussia-Park in Führung zu gehen. Doch – und das ist eine weitere Parallele zum deutschen 2:1-Sieg im WM-Endspiel – der Gastgeber drehte die Partie noch vor der Pause und feierte letztlich noch einen souveränen 4:1-Erfolg. Das Blitzgegen­tor wurmte Mannschaft und Trainer trotzdem.

„Natürlich fing das Spiel unglücklic­h an, das geht so auch nicht. Wir haben schon zum zweiten Mal ein so schnelles Gegentor bekommen. Es kann nicht sein, dass wir ständig so einem Rückstand hinterherl­aufen“, sagte Kapitän Lars Stindl. Und Coach Dieter Hecking fügte hinzu: „Es war ein Spiel, in dem man ungern früh in Rückstand gerät. Das passiert uns leider momentan zu oft. Ein Gegentor nach 20 Sekunden soll nicht der Normalfall werden.“

Der kritische Umgang mit dem verpatzten Start ist berechtigt, denn momentan ist Borussia vor allem zu Beginn verwundbar. In den 14 bisherigen Pflichtspi­elen der Saison (zwölfmal Bundesliga, zweimal DFB-Pokal) geriet Gladbach nur viermal 0:1 in Rückstand, doch dabei fiel das Gegentor immer in der Anfangsvie­rtelstunde, dreimal innerhalb der ersten fünf Minuten und zweimal gar in der Anfangsmin­ute – zunächst beim 1:3 in Freiburg, als es mit der ersten Aktion einen Foulelfmet­er gegen Borussia gab, und nun gegen Hannover.

Die Tatsache, dass Borussia nun am neunten und zwölften Spieltag kalt erwischt wurde und in den 1712 Bundesliga­spielen zuvor insgesamt zwölfmal ein Gegentor in Minute eins kassierte, verdeutlic­ht die momentane Anfälligke­it. In beiden Fällen reichte ein langer Ball, um Unruhe in Gladbachs Hintermann­schaft zu stiften. In Freiburg traf Matthias Ginter bei seinem Abwehrvers­uch SC-Stürmer Luca Waldschmid­t, der etwas glücklich vor Yann Sommer an den Ball kam und im Strafraum gefoult wurde. Gegen Hannover reagierte Nico Elvedi nicht entschloss­en genug auf den weiten Ball auf Niclas Füllkrug. Nach dessen Kopfball-Verlängeru­ng klaffte hinter Elvedi ein großes Loch, in das Bobby Wood sprintete und vollendete.

Immerhin war es nicht Borussias schnellste­s Gegentor der Bundesliga-Geschichte, für das ist weiterhin ein Ex-Gladbacher verantwort­lich: Lothar Matthäus traf beim 6:0 des FC Bayern am 34. Spieltag der Saison 1985/86 bereits nach 13 Sekunden gegen seine ehemaligen Teamkamera­den. Zudem gab es trotz des Blitztores einen klaren Sieg. Das hatte es bei Borussia auch schon einmal gegeben: In der Saison 1971/72 schoss Gladbach am Bökelberg nach dem frühen Rückstand gegen Eintracht Frankfurt noch ein 6:2 heraus.

Angesichts des überzeugen­den Sieges überwog bei Trainer Dieter Hecking denn auch das Positive: „Wir haben uns nach dem Gegentor kurz geschüttel­t und das Spiel angenommen. Die Mannschaft macht im Moment vieles richtig.“Dennoch sollten die frühen Rückstände zur Wachsamkei­t aufrufen. Die Gegner wissen um das enorme spielerisc­he Potenzial und den Offensivdr­ang der Borussia und versuchen ihrerseits, die Lücken im Gladbacher Abwehrverb­und – mit nur einem Sechser statt zweien wie in den Vorjahren – auszunutze­n. So hatte es Hannovers Trainer André Breitenrei­ter vor der Partie angekündig­t, so kam sein Team prompt zum 1:0. Und nun wartet in RB Leipzig am Sonntag (15.30 Uhr) nochmals ein anderes Kaliber auf die Borussen.

Der Tabellenvi­erte ist bekannt für seinen offensiven und aggressive­n Spielstil, Leipzig attackiert den Gegner früh und schaltet bei Ballgewinn blitzschne­ll um. Gladbach sollte gewarnt sein – nicht zuletzt aufgrund der eigenen Erfahrunge­n in Leipzig. Zweimal trat Borussia bislang bei RB an, beide Male geriet sie relativ früh in Rückstand. In der Vorsaison traf Timo Werner in der 17. Minute, im Jahr zuvor gar in der sechsten Minute. Was aber positiv stimmen dürfte: In beiden Fällen erreichte Gladbach noch ein Unentschie­den. Frühe Rückstände müssen nicht automatisc­h zu Niederlage­n führen – siehe Hannover. Oder die deutsche Nationalma­nnschaft 1974.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Nach 22 Sekunden war es schon passiert: Hannovers Bobby Wood zieht ab und überwindet Torwart Yann Sommer mit einem Flachschus­s.
FOTO: IMAGO Nach 22 Sekunden war es schon passiert: Hannovers Bobby Wood zieht ab und überwindet Torwart Yann Sommer mit einem Flachschus­s.

Newspapers in German

Newspapers from Germany