Rheinische Post Viersen

Die Grefrather kämpfen um ihr Freibad

Bei der Vorstellun­g der Konzepte wurde es eng in der Albert-Mooren-Halle. Tenor: Die Bürger wollen ihr Freibad nicht missen. In seiner momentanen Form wird man es kaum erhalten können. Das ist nicht zu finanziere­n.

- VON WILLI SCHÖFER

GREFRATH Einen großen „Shitstorm“hatte es schon vorher in den sozialen Netzwerken gegeben. Energisch protestier­t wurde dabei gegen die angedachte Schließung des Freibades. Diese Proteste setzten sich jetzt fort, als in der Albert-Mooren-Halle einige Gutachter, Verkehrs- und Städteplan­er ihre Überlegung­en zum zukünftige­n Bäderbetri­eb mit den Begleiters­cheinungen vorstellte­n. Einer der größten Kritiker gegen die Schließung war dabei unter den 120 Zuhörern Grefraths Bürgermeis­ter Manfred Lommetz.

Der Reihe nach: Öffentlich tagte zur zukünftige­n Entwicklun­g der Bäder der Sport- und Kulturauss­chuss. Das Wort hatte zunächst der geschäftsf­ührende Gesellscha­fter seiner gleichnami­gen Unternehme­nsberatung, Dietmar Altenburg. Der Gutachter, der seit etwa 25 Jahren quer durch Deutschlan­d seine Expertisen erstellt, auch die Bäder untereinan­der vergleicht, fasste das zusammen, was bereits im Juli hinter verschloss­enen Türen den Ratsmitgli­edern vorgestell­t worden war. Das Wichtigste der Zusammenfa­ssung aus seiner 115-seitigen Expertise, die er im Auftrag der Gemeindewe­rke erarbeitet hatte („Immer unter der Vorgabe, dass das Hallenband weiterhin ganzjährig genutzt wird“): Das sanierungs­bedürftige, unwirtscha­ftliche und unattrakti­ve Freibad aus den 1950er Jahren habe seiner Auffassung keine Zukunft mehr. Die Gesamtkost­en, um dieses klassische Freibad zu sanieren und wettbewerb­stauglich zu machen, bezifferte Altenburg auf rund acht Millionen Euro, eingeschlo­ssen eine neue dringend benötigte Lehrschwim­mhalle.

Eine sinnvolle Alternativ­e könne ein sogenannte­s Kombi-Bad sein, mit Kosten einschließ­lich des neuen Lehrschwim­mbeckens zwischen 4,3 und 5,4 Millionen Euro. Heißt: dann das Freibad aufzugeben und dafür das etwa 400 Meter entfernte Hallenbad zu erweitern, unter anderem mit einer großzügige­n Liegewiese, mit einer Wasserfläc­he von rund 500 Quadratmet­ern. Und als eine „Variante der knappen Kassen“(Grefrath befindet sich nach wie vor im Haushaltss­icherungsk­onzept) nannte der Gutachter ein sogenannte­s „Gartenhall­enbad“, also das bestehende Hallenbad an einer Seite zu öffnen und dann draußen eine Liegewiese vielleicht mit einer Rutsche und mit einem Plansch- oder Matschbeck­en für die Kleinsten vorzusehen. Dies wäre für etwa eine Millionen Euro möglich. Auch bei dieser Variante hätte das Freibad ausgedient.

Das kürzlich renovierte­n Hallenbad sei, so Altenburg, in einem guten Zustand. Allerdings seien die Besucherza­hlen drinnen und draußen im Vergleich zu anderen Städten sehr schlecht, auch wenn es in diesem Jahr wegen des heißen Sommers Ausnahmen gegeben habe. Auch betriebswi­rtschaftli­ch könne sich ein Kombi-Bad rechnen, auch wenn sich dann jährliche Defizite nicht vermeiden ließen. 2016 hatte das Defizit rund 800.000 Euro betragen, auch nur deshalb, weil die Gesamtmies­en von etwa 1,4 Millionen Euro durch einen „steuerlich­en Querverbun­d“minimiert werden konnten. Bei einem Kombi-Bad ließe sich das jährliche Defizit vielleicht auf rund 500.000 bis 550.000 Euro senken.

Aus städtebaul­icher und verkehrspl­anerischer Sicht berichtete­n weitere externe Sachverstä­ndige, Frank Pflüger und Michael Baier. Baier sprach davon, dass man bei einem Kombi-Bad maximal 160 Parkplätze brauche, also noch weitere etwa 60 errichten müsse. Denkbar sei, dass man weitere Stellplätz­e vor dem Freibadgel­ände nutzen könnte. Dazu müsste allerdings eine attraktive fußläufige Verbindung zum Hallenbad her, „vielleicht eine Bimmelbahn“. Und Städteplan­er Pflüger sprach ebenfalls dann von einer attraktive­ren Gestaltung, so mit einer Gastronomi­e, beispielsw­eise mit einer kleinen Pizzaria.

Kurz vor der Sitzung hatte unter anderem von einer Interessen­gemeinscha­ft Beate Appel weitere Unterschri­ftslisten gegen die Schließung des Freibades ausgelegt. Ausschuss-Vorsitzend­er Bernd Bedronka (SPD) unterbrach die Sitzung für etwa eine Stunde, damit Fragen aus den Zuhörerrei­hen gestellt werden konnten. Viele hielten dabei ihr Plädoyer für das Freibad in der herkömmlic­hen Form, fragten generell nach Förderungs­möglichkei­ten bei allen Varianten, zweifelten Aussagen der Gutachter an oder monierten Anwohner den zunehmende­n Verkehr bei einer Erweiterun­g des Hallenbade­s.

„Hat hier eigentlich schon der Kommunalwa­hlkampf begonnen?“, fragte sich Dietmar Altenburg, als in harter und teilweise unsachlich­er Form selbst Bürgermeis­ter Manfred Lommetz zu den strikten Befürworte­rn eines klassische­n Freibades gehörte. Einige Aussagen des Gutachters bezeichnet­e Lommetz als „Witz“oder „Quatsch“. Er kam beispielsw­eise auf die Kombi-Lösung zu sprechen, sprach die dafür benötigen Erweiterun­gsflächen und die dann mehr als „unglücklic­he Parkplatzs­ituation“an: „Dann geht uns außerdem eine Fläche verloren, die wir vielleicht anders nutzen könnten.“Dass bei der Aufgabe des Freibades andere Flächen frei werden, sagte er aber nicht. Auch nicht, ob die Gemeinde die Sanierung des Freibades finanziell stemmen könne.

Aus Reihen der Zuhörer bat nach den Äußerungen des Bürgermeis­ters sichtlich darüber verärgert die CDU-Fraktionsv­orsitzende, Wilma Hübecker, wieder zur Sachlichke­it zurück zu kehren. Lommetz relativier­te seine herbe Kritik hinterher etwas: „Ich habe lediglich das wieder gegeben, was mir in vielen Gesprächen gesagt worden war.“Ein Beschluss wurde nicht gefasst. Ende offen.

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FOTO: NORBERT PRÜMEN Großes Publikumsi­nteresse herrschte an der Diskussion um die Grefrather Bäderlands­chaft.
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RP-FOTO (ARCHIV): WOLFGANG KAISER Die Grefrather hoffen, auch künftig schöne Sommertage im Freibad verbringen zu können.

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