Jazz intim mit Till Brönner und Dieter Ilg
Es ist die denkbar intimste Art von Kammermusik, wenn nur zwei Melodie-Instrumente miteinander spielen. Keine Akkorde von Gitarre oder Klavier liefern das harmonische Gerüst, kein Schlagzeug das rhythmische. Der Jazz-Trompeter Till Brönner, stets auf der Suche nach neuen Partnern, mit denen er seine Projekte verwirklichen kann, tat sich mit dem Kontrabassisten Dieter Ilg zusammen. Sie brachten Anfang des Jahres eine CD heraus und bereisen seither ganz Deutschland, um „Nightfall“vorzustellen.
Sie spielen bereits seit acht Jahren in dieser Form zusammen, erzählt Brönner beim Konzert in der Düsseldorfer Tonhalle. In dieser Zeit hat sich ihre kammermusikalische Zusammenarbeit zu einer geradezu perfekten Einheit entwickelt. Brönner und Ilg, Ilg und Brönner – gleichberechtigtere musikalische Partner sind schwer zu finden. Was auf der Bühne der Tonhalle geschieht, ist ein bis ins Detail abgestimmtes Duettieren wie in klassischer Musik. Hinzu kommen die Tugenden von Jazzmusikern, die sich blind vertrauen und zu reagieren wissen, wenn der Partner spontan neue Wege erprobt; die sich Freiräume für Soli lassen und deren im Jazz so wichtiges Timing wie aus einem Guss funktioniert. Nicht zufällig spielt Brönner immer dem Kontrabassisten zugewandt.
Brönner und Ilg halten sich nicht nur an die Jazz-Standards, sondern verwandeln sich Songs aus der Popwelt an und tragen auch eigene Nummern zum Programm bei. Da gibt es etwa Brönners etwas ältere „Distant Episode“– da gibt es auch vom Duo gemeinsam konzipierte, geradezu anarchistische Klangerkundungen wie im Free Jazz. „Wetterstein“, ein Gebirge, an dessen Fuß die neue CD eingespielt wurde, ist eine moderne Collage mit Sounds aus dem Inneren der Instrumente. Sie mündet mal in einen wie von fern erklingenden Marsch, mal in ein angedeutetes Signal.
Die Popsongs beginnen bei „Eleanor Rigby“von den Beatles, über einer stets wiederholten Figur des Kontrabasses erhebt die gedämpfte Trompete ihre Stimme: „Ah, look at all the lonely people!“Wie nebenbei bezieht Brönner ein kleines elektronisches Gerät in die Musik mit ein, das nicht nur für Hall sorgt, sondern auch Tonfolgen aufnehmen und pausenlos wiedergeben kann und sogar eine zweite virtuelle Stimme hinzufügt. Den Leonard-Cohen-Song „A Thousand Kisses Deep“bestreitet er mit seinem Flügelhorn, dessen weicheren Klang er im Konzert bevorzugt.
Der stets gezupfte Kontrabass von Dieter Ilg verströmt sonore Klänge, gibt mit einem punktierten Rhythmus das Gerüst für das Timing und mit klar gesetzten Grundtönen harmonische Orientierung. Was er in so mancher Nummer an mehrstimmigem Spiel zeigt, grenzt an Zauberei. Sämtliche ganz und gar moderne Spieltechniken schaffen eine unerwartete Farbigkeit: hier ein großräumiges Vibrato, dort weite Strecken zurücklegende Glissandolinien, hier fahle Flageolett-Töne, dort ein Tremolo wie bei einer Gitarre. Brönners Ton-Spektrum kann natürlich mithalten: vom Aufschrei bis zur zarten Melodie, von angeknautschten Tönen bis zum – selten eingesetzten – Forte. Alles hat er dabei.
Das Programm legt den Schwerpunkt auf ruhige Nummern, ist also bestens geeignet für einen melancholischen Novemberabend. Die volle Tonhalle lauscht gebannt.