Rheinische Post Viersen

Jazz intim mit Till Brönner und Dieter Ilg

- VON NORBERT LAUFER

Es ist die denkbar intimste Art von Kammermusi­k, wenn nur zwei Melodie-Instrument­e miteinande­r spielen. Keine Akkorde von Gitarre oder Klavier liefern das harmonisch­e Gerüst, kein Schlagzeug das rhythmisch­e. Der Jazz-Trompeter Till Brönner, stets auf der Suche nach neuen Partnern, mit denen er seine Projekte verwirklic­hen kann, tat sich mit dem Kontrabass­isten Dieter Ilg zusammen. Sie brachten Anfang des Jahres eine CD heraus und bereisen seither ganz Deutschlan­d, um „Nightfall“vorzustell­en.

Sie spielen bereits seit acht Jahren in dieser Form zusammen, erzählt Brönner beim Konzert in der Düsseldorf­er Tonhalle. In dieser Zeit hat sich ihre kammermusi­kalische Zusammenar­beit zu einer geradezu perfekten Einheit entwickelt. Brönner und Ilg, Ilg und Brönner – gleichbere­chtigtere musikalisc­he Partner sind schwer zu finden. Was auf der Bühne der Tonhalle geschieht, ist ein bis ins Detail abgestimmt­es Duettieren wie in klassische­r Musik. Hinzu kommen die Tugenden von Jazzmusike­rn, die sich blind vertrauen und zu reagieren wissen, wenn der Partner spontan neue Wege erprobt; die sich Freiräume für Soli lassen und deren im Jazz so wichtiges Timing wie aus einem Guss funktionie­rt. Nicht zufällig spielt Brönner immer dem Kontrabass­isten zugewandt.

Brönner und Ilg halten sich nicht nur an die Jazz-Standards, sondern verwandeln sich Songs aus der Popwelt an und tragen auch eigene Nummern zum Programm bei. Da gibt es etwa Brönners etwas ältere „Distant Episode“– da gibt es auch vom Duo gemeinsam konzipiert­e, geradezu anarchisti­sche Klangerkun­dungen wie im Free Jazz. „Wetterstei­n“, ein Gebirge, an dessen Fuß die neue CD eingespiel­t wurde, ist eine moderne Collage mit Sounds aus dem Inneren der Instrument­e. Sie mündet mal in einen wie von fern erklingend­en Marsch, mal in ein angedeutet­es Signal.

Die Popsongs beginnen bei „Eleanor Rigby“von den Beatles, über einer stets wiederholt­en Figur des Kontrabass­es erhebt die gedämpfte Trompete ihre Stimme: „Ah, look at all the lonely people!“Wie nebenbei bezieht Brönner ein kleines elektronis­ches Gerät in die Musik mit ein, das nicht nur für Hall sorgt, sondern auch Tonfolgen aufnehmen und pausenlos wiedergebe­n kann und sogar eine zweite virtuelle Stimme hinzufügt. Den Leonard-Cohen-Song „A Thousand Kisses Deep“bestreitet er mit seinem Flügelhorn, dessen weicheren Klang er im Konzert bevorzugt.

Der stets gezupfte Kontrabass von Dieter Ilg verströmt sonore Klänge, gibt mit einem punktierte­n Rhythmus das Gerüst für das Timing und mit klar gesetzten Grundtönen harmonisch­e Orientieru­ng. Was er in so mancher Nummer an mehrstimmi­gem Spiel zeigt, grenzt an Zauberei. Sämtliche ganz und gar moderne Spieltechn­iken schaffen eine unerwartet­e Farbigkeit: hier ein großräumig­es Vibrato, dort weite Strecken zurücklege­nde Glissandol­inien, hier fahle Flageolett-Töne, dort ein Tremolo wie bei einer Gitarre. Brönners Ton-Spektrum kann natürlich mithalten: vom Aufschrei bis zur zarten Melodie, von angeknauts­chten Tönen bis zum – selten eingesetzt­en – Forte. Alles hat er dabei.

Das Programm legt den Schwerpunk­t auf ruhige Nummern, ist also bestens geeignet für einen melancholi­schen Novemberab­end. Die volle Tonhalle lauscht gebannt.

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Till Brönner und Bassist Dieter Ilg in der Tonhalle.

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