Ein Geigenbauer in der Apotheke
Als sei man aus der Zeit gefallen und betrete ein anderes Jahrhundert – so fühlt es sich an, wenn man die Türen zur Hauptstraße 121 in Viersen öffnet. Der Geigenbauer Tobias Pöhling ist mit seiner Werkstatt aus der Alten Spinnerei in die ehemalige Sonnenapotheke an der Hauptstraße gezogen und hat die Werkstatt um ein ansprechendes Ladenlokal ergänzt. Dort, wo bis vor mehr als drei Jahren Medikamente verkauft wurden, hängen nun 100 Geigen, steht ein gutes Dutzend Celli. Ein alter Flügel ergänzt die Atmosphäre. Schränke, Vitrinen, Stühle, Sessel und ein Sofa – ein komplettes Teezimmer von 1900 – lädt ein, sich wohlzufühlen. Da passt einfach alles perfekt zusammen, denn das Haus ist aus dem Jahr 1907, was die beim Umbau entdeckten wunderschönen Bodenfliesen eindrucksvoll unterstreichen, die Pöhling trotz der Macken, die die Zeit hinterließ, erhielt. Passend zum Alter des Hauses sind einige alte Geigen und Geigenkästen ausgestellt.
135 Quadratmeter stehen Pöhling nun zur Verfügung. Den größten Teil davon nutzt der Geigenbauer als Werkstatt. Pöhling, 1973 in Düsseldorf geboren und in Kranenburg aufgewachsen, hat in England eine Ausbildung zum Gitarrenund anschließend zum Geigenbauer gemacht. Bis Ende 2003 arbeitete er in London und kam dann eher zufällig nach Viersen, wo er in der Werkstatt seines Freundes, dem Kontrabassbauer Sven-Henrik Gawron, mitarbeitete. 2005 eröffnete er seine eigene Werkstatt in der Alten Spinnerei. Die Geige, so Pöhling, ist ein „faszinierendes und komplexes Instrument“. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Reparatur und Restaurierung von Geigen. Und da lautet sein Motto: „Ich mach es so, wie die Leute es haben wollen.“Denn jede Geige, so erklärt er, sei individuell, sie müsse halt genau zu der Hand passen, die sie spielt. Wichtig sei, „wie sich ein Instrument unter den spielenden Fingern anfühlt.“
Zwischen 2004 und 2017 hat Pöhling auch Kontrabässe gebaut, das tut er nun nicht mehr. Vor einer Woche etwa ist er in der ehemaligen Sonnenapotheke eingezogen und hat festgestellt, dass seine Entscheidung, an die Hauptstraße zu ziehen, die richtige war. Während in der Alten Spinnerei die Kundschaft gezielt anreiste, erreicht ihn hier auch Laufkundschaft. Es schauten, so Pöhling, auch einfach mal Leute in den Laden rein, weil sie neugierig seien oder ihm viel Erfolg wünschen wollten. Die Lage zwischen Kreuzkirche und Festhalle ist ja geradezu eine musikalische, möchte man sagen.
Pöhling hat schon interessante Ideen und Pläne für die Zukunft. Neben dem Verkauf von Geigen und der Reparatur und Restaurierung könnten in dem Geschäft auch kleine Werkstatt- und Ladenkonzerte stattfinden. Am Samstag, 1. Dezember, wird der Geigenbau festlich eröffnet. Die regulären Öffnungszeiten sind dienstags bis freitags von 10 bis 13 Uhr und 14 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 14 Uhr. b-r