Digitalisiert Deutschland!
Wann haben Sie zuletzt mit ihrem Handy an der Supermarktkasse bezahlt? Wie oft haben Sie schon ihren Personalausweis im Internet beantragt? Lagen Sie auch schon einmal mit einer Grippe im Bett und hätten sich gefreut, wenn der Arzt ihnen das Rezept digital aufs Handy schickt? In Deutschland haben Sie nichts davon gemacht. Würden Sie in China, Estland oder Großbritannien leben, wäre das anders.
Jedes dieser Beispiele mag für sich unser Leben nur minimal beeinflussen, in Summe stehen sie stellvertretend für unser Versagen, wenn es darum geht, Deutschland in das digitale Zeitalter zu führen. Das Land der Ingenieure ist immer noch Weltspitze, wenn es darum geht, neue Dinge zu erfinden. Wir nutzen diese Erfindungen aber nicht mehr zuerst selbst. Das Geld verdienen in der digitalen Welt längst andere.
In Europa wirft man uns inzwischen Impossibilismus vor. Gemeint ist, dass wir nur noch wenig von dem schaffen, was wir uns vornehmen. Ministerpräsident Armin Laschet hat jüngst verdeutlicht, was diese Kritiker meinen könnten: „Eine Weinbergschnecke schafft pro Jahr 28 Kilometer, der Stromtrassenbau in Deutschland liegt bei 30km pro Jahr“, sagte er bei einer Veranstaltung in Hagen. Deutschland bewegt sich im Schneckentempo, auch weil wir uns mit uns selbst und den falschen Themen beschäftigen. Anders kann man die letzten 12 Monate in der Bundespolitik nicht beschreiben.
Auf eine halbjährige zähe Regierungsbildung folgte der unionsinterne Streit. In der Konsequenz beschäftigen wir uns dieser Tage mit der Frage, wer ab dem 8. Dezember die CDU als Vorsitzende oder Vorsitzender führt. Die Schlagzeilen zu den Regionalkonferenzen, auf denen sich Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn den CDU-Mitgliedern stellen, vermitteln den Eindruck, dass es auch dort wieder nur um die Migrationskrise und das Recht auf Asyl geht.
Tatsächlich ist diese Wahl auch eine Chance für den Digital Standort Deutschland. Angela Merkel war in den vergangenen Jahren nicht in der Lage, Digital Germany mit hohem Tempo voranzutreiben. An ihrer Motivation hat es nicht gelegen. Kaum eine Rede, in der sie nicht über die Digitalisierung gesprochen hätte. Und wer die Gelegenheit hatte, sich mir ihr persönlich über Blockchain, Künstliche Intelligenz & Co auszutauschen, der weiß, dass sie sich mit großer Neugierde und der technischen Auffassungsgabe einer Physikerin neuen Technologien widmet.
Am Ende muss man feststellen: Sie wollte. Sie konnte aber nicht. Flüchtlingskrise, Regierungsbildung und der Dauerstreit mit der CSU haben alles blockiert. Und deshalb macht Merkel mit dem Verzicht auf den CDU Vorsitz den Weg frei für Zukunftsthemen, für sich selbst und ihren Nachfolger in der Partei. Kramp-Karrenbauer, Merz oder Spahn werden sich nicht für die Entscheidung ihrer Vorgängerin rechtfertigen müssen. Und die Kanzlerin Merkel beendet damit hoffentlich auch für sich eine jahrelange Diskussion.
Bleibt die Frage, welcher der drei Kandidaten für den Parteivorsitz auch ein digitaler Gestalter sein kann. Hier lohnt sich ein Blick hinter die Schlagzeilen, auf die Inhalte der Regionalkonferenzen, und natürlich auf die Frage, ob Kramp-Karrenbauer, Merz oder Spahn in den letzten Jahren mit digitalen Erfolgen von sich reden gemacht haben. Das Digitalisierung als Schlagwort zur eigenen Positionierung gehört haben alle Drei verstanden. „Sie wolle Innovationen fördern, vor allem die weitere Digitalisierung”, sagte Kramp-Karrenbauer. Bei Merz klingt es ähnlich, wenn er Migration, Globalisierung, Klimawandel und Digitalisierung als „die wichtigsten Herausforderungen” benennt.
Spahn kann als jüngster Kandidat mit Erfolgen belegen, dass er glaubwürdig für Digitalisierung steht.