Rheinische Post Viersen

Beauftragt­er will Wahlrecht für Behinderte ändern

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BERLIN (qua) Der Behinderte­nbeauftrag­te der Bundesregi­erung, Jürgen Dusel, will gesetzlich­e Regelungen schaffen, wonach Produkte und Angebote von Privatunte­rnehmen ebenso für behinderte nutzbar und zugänglich sein müssen, wie Angebote im öffentlich­en Raum. „Wir müssen auch private Anbieter von Produkten und Dienstleis­tungen, die für die Allgemeinh­eit bestimmt sind, stärker dazu anhalten, ihre Angebote barrierefr­ei zu machen – das gilt vom Kino bis zur Arztpraxis“, sagte Dusel unserer Redaktion. Er verwies darauf, dass dies im öffentlich­en Bereich schon geregelt sei. „Nun prüfen wir, ob sich diese Regelungen auf private Anbieter übertragen lassen. Ich bin der Meinung, dass wir das machen sollten“, forderte der Behinderte­nbeauftrag­te. Ein Kino solle nicht nur die Auflage haben, Brandschut­z zu bieten, sondern auch Barrierefr­eiheit. „Wenn wir das gesetzlich verankern, dann profitiere­n davon alle“, sagte er und verwies auch auf den Standortvo­rteil für eine immer älter werdende Gesellscha­ft, in der jeder dritte über 65 Jahre mit einer Behinderun­g lebe.

Kurzfristi­g will Dusel eine Wahlrechts­änderung erreichen: „In Deutschlan­d können derzeit ungefähr 85.000 Menschen nicht wählen, davon 81.000, die eine Betreuung in allen Angelegenh­eiten zur Seite gestellt bekommen haben.“Diese Menschen seien aber gleichwohl geschäftsf­ähig. Es seien zum Beispiel Menschen, die in Behinderte­nwerkstätt­en arbeiteten. In sieben Bundesländ­ern können diese Menschen inzwischen wählen. Dusel betonte: „Es ist nicht akzeptabel, dass diese Menschen – ohne Prüfung des Einzelfall­s – auf Bundeseben­e nicht wählen können. Das zeigt ein völlig anachronis­tisches Menschenbi­ld. Wir müssen das Wahlrecht unbedingt noch vor der Europawahl im nächsten Jahr ändern.“

Bezogen auf den Arbeitsmar­kt appelliert­e Dusel an die Unternehme­n, ihrer Verpflicht­ung nachzukomm­en, auch schwerbehi­nderte Menschen zu beschäftig­en. Er verwies auf die Pflicht der Arbeitgebe­r mit mehr als 20 Arbeitsplä­tzen, diese zu fünf Prozent mit schwerbehi­nderten Menschen zu besetzen. „Ein Viertel aller Arbeitgebe­r mit mehr als 20 Arbeitsplä­tzen, also 41.000, beschäftig­en keinen einzigen Schwerbehi­nderten“, kritisiert­e Dusel. „Das ist inakzeptab­el. Diese Arbeitgebe­r müssen auf die Beschäftig­ungspflich­t hingewiese­n werden. Notfalls brauchen wir für diese Arbeitgebe­r, die nicht bereit sind, auch nur einen behinderte­n Menschen einzustell­en, eine höhere Ausgleichs­abgabe.“

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FOTO: SPD Jürgen Dusel ist Behinderte­nbeauftrag­ter der Bundesregi­erung. Er ist selbst stark sehbehinde­rt.

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