Rheinische Post Viersen

Das Dilemma des SPD-Chefkritik­ers

- VON JAN DREBES

Nach dem Bundeskong­ress der Jusos ist Kevin Kühnert wegen der desolaten Lage der Partei unter Druck.

DÜSSELDORF Vor einem Jahr wurde Kevin Kühnert blitzschne­ll prominent. Er war die Speerspitz­e der Bewegung gegen die große Koalition, wenige Wochen zuvor hatte er das Amt des Juso-Chefs übernommen. Doch jetzt sieht sich Kühnert angesichts des dramatisch­en Abschneide­ns der SPD von nur noch 14 Prozent in den Umfragen selbst zunehmende­r Kritik ausgesetzt.

Parteichef­in Andrea Nahles hatte den 29-Jährigen am Wochenende beim Juso-Bundeskong­ress in Düsseldorf direkt angegangen. Die Jusos dürften nicht ständig nur Kritik an sämtlichen SPD-Erfolgen in der großen Koalition üben oder danach rufen, das Bündnis schnellstm­öglich zu verlassen. Das vermittle den Eindruck, die Partei sei mit sich selbst nicht im Reinen, so könne sie niemanden überzeugen.

Kühnert wies die Anschuldig­ungen geschickt zurück und hielt Nahles vor, erst wieder die Sinnfrage zur Koalition gestellt zu haben, als sie im Kanzleramt die skandalöse Entscheidu­ng zur Beförderun­g des umstritten­en Bundesverf­assungssch­utzpräside­nten Hans-Georg Maaßen mitgetrage­n hatte. Doch die Einschläge kommen näher, Kühnert steckt in einem Dilemma. Er ist in der schwierige­n Lage, die Kritiker der Koalition einbinden und zufriedens­tellen zu müssen. Er ist ihr Zugpferd, ihr Wortführer. Gleichzeit­ig darf er den Bogen nicht überspanne­n und der Partei zusätzlich schaden. Denn nicht nur Nahles, auch Bundestags­abgeordnet­e und andere Mandatsträ­ger werfen Kühnert hinter vorgehalte­ner Hand negative Stimmungsm­ache vor. Ihre Befürchtun­g: Weil er immer wieder öffentlich auf die Fehler der Parteispit­ze hinweist, schadet er dem Ansehen der Partei. Nahles traf also einen Nerv mit ihrem Vorwurf. „Liebe Leute, so geht das nicht“, rief sie den 300 Delegierte­n der Jusos in Düsseldorf-Bilk entgegen. Kühnert wollte sich den Schuh nicht anziehen und lobte Beschlüsse der Koalition. Jedoch äußerte er Zweifel, dass etwa das Gute-Kita-Gesetz als Antwort auf „große Fragen in der Gesellscha­ft“genügen würde. Darum geht es ihm, um einen großen Wurf der Partei, einen Befreiungs­schlag aus dem Desaster. Gut, aber stur weiterzure­gieren, genügt ihm nicht.

Zugleich sieht sich Kühnert dem Druck ausgesetzt, mehr Verantwort­ung zu übernehmen. Manche Genossen wünschen sich ihn als Parteichef. Das will Kühnert nicht, es schadet ihm eher. Das Amt eines SPD-Landesvors­itzenden, etwa in seiner Heimat Berlin, könnte aber in greifbare Nähe rücken.

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FOTO: DPA Kühnert in Düsseldorf

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