„Macht die Forschung nicht kaputt“
Das hat es bei Bayer noch nicht gegeben: Tausend Mitarbeiter gingen in Wuppertal auf die Straße, um gegen den Kahlschlag zu demonstrieren. Bayer-Chef Werner Baumann verteidigte in Leverkusen den Abbau.
WUPPERTAL/LEVERKUSEN In der Bayer-Belegschaft kocht es. Das wurde am Montag auf der Demonstration in Wuppertal deutlich. Die Stimmung sei kämpferisch, sagten Mitarbeiter. „Weil die Geschäftsführung den Stellenabbau durchziehen wird, obwohl es dem Unternehmen gut geht“, so ein Angestellter. Seinen Namen wollte keiner nennen, es sei eine Art Maulkorb verhängt worden. „Wir sollen nichts sagen“, hieß es. Sauer sind die Mitarbeiter auch darüber, dass sie von den Kürzungen erst aus den Medien erfahren haben. Bayer hatte am Donnerstag verkündet, weltweit 12.000 seiner 118.000 Stellen abzubauen. Ein „signifikanter Teil“soll auf Deutschland entfallen. Wuppertal ist einer der Standorte, die es besonders trifft: Hier schließt Bayer die nagelneue Fabrik zur Herstellung des Blutermedikaments „Faktor VIII“. Zudem dürfte Wuppertal von der Streichung der Stellung in der Pharmaforschung betroffen sein. Bayer will hier weltweit 900 Jobs kappen.
Das sorgt für besonders viel Unmut. Aus dem Forschungszentrum in Wuppertal, in dem rund 1500 Menschen arbeiten, waren allein 300 zur Demo gekommen. Auf Transparenten hieß es „Manager macht die Forschung nicht kaputt!“, „Personalabbau ist Gift für Forschung und Innovation“und „Forschung statt Rente“. Dass die für 500 Millionen Euro errichtete Faktor-VIII-Fabrik noch vor dem Start eingemottet wird, ärgert viele. „Das ist aus meiner Sicht ein klarer Management-Fehler“, sagte einer. Offenbar sei der Bedarf falsch eingeschätzt worden. Ein solcher Schritt schwäche auch die Reputation des Konzerns. „Bayer ist bislang weltweit ein Forschungs-Vorzeigeunternehmen“, so der Mitarbeiter weiter. „Das wird es wohl nicht bleiben.“Ungewiss sei auch die Zukunft des Faktor-VIII-Gebäudes. Dies könne, spekulierte ein anderer, wegen der Biotech-Produkte wohl nicht anderweitig genutzt werden und müsse abgerissen werden.
An der Friedrich-Ebert-Straße, die am Bayer-Betriebsgelände vorbei führt, vereinten sich die demonstrierenden Mitarbeiter aus dem Forschungszentrum mit denen aus dem Wuppertaler Hauptwerk. Von dort zog der rund 1000 Menschen umfassende Tross zur Betriebsversammlung in der Bayer-Sporthalle. „Dort war die Stimmung sehr bedrückt“, so Anwesende.
In Leverkusen waren Hunderte Mitarbeiter in der Wiesdorfer Bürgerhalle zusammengekommen. In einer Videobotschaft an alle Standorte versuchte Bayer-Chef Werner Baumann, Verständnis zu wecken. „Er war nachdenklich und mitfühlend, hat uns aber keine Alternativen angeboten“, sagt ein Mitarbeiter später. Zugleich hagelte es Fragen: Ob sie nun die Zeche für den Kauf von Monsanto zahlen müssten?, fragten Mitarbeiter. Ob Bayer die Probleme, etwa bei Glyphosat, nicht habe kommen sehen? Wer denn Bayer in die Ecke gefahren habe? Wieso Bayer ausgerechnet an der Forschung spare? Wie es mit der Verwaltung und Currenta weitergehe? Bayer hat Monsanto für 59 Milliarden Euro übernommen, Baumann betonte aber, der Abbau jetzt habe damit nichts zu tun.
Details zum Abbau bei der Pharma-Forschung soll es rasch geben, unter dem Codenamen „Superbowl“laufen die Verhandlungen hier seit Monaten. Die von Bayer genannten Zahlen für Deutschland lehnt der Betriebsrat ab. Die Mitarbeiter bei CropScience und in der Verwaltung, bei denen die Sparpläne unter dem Namen „Plattformprojekt“laufen, müssen sich wohl noch bis Mitte 2019 gedulden, bis Näheres feststeht, interpretieren Mitarbeiter Baumanns Rede.
„Ich nehme Baumann ab, dass es ihm leid tut, aber er ist Kaufmann“, sagte Michael Schmidt-Kießling, Chef des Betriebsrats in Wuppertal. „Wir können trotzdem nicht verstehen, dass ausgerechnet hochinnovative Stellen gestrichen werden.“Bayer will bei der Forschung stärker auf externe Partner setzen. Schmidt-Kießling will für den Standort kämpfen: „Wuppertal ist das gallische Dorf, in dem gesagt wird, was die Mitarbeiter denken.“