Rheinische Post Viersen

„Besser leben ohne Plastik“

Immer mehr Kunden wollen plastikfre­i einkaufen. In einigen NRW-Städten gibt es bereits entspreche­nde Geschäfte.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Katharina Pfeiffer kann sich ein Leben mit Plastik kaum noch vorstellen. Zwar geht es nicht ganz ohne, aber wo sie kann, verzichtet die Wuppertale­rin auf Kunststoff – insbesonde­re beim Einkauf von Lebensmitt­eln. „Ich habe vor sechs Monaten damit angefangen, mein Leben und das meiner Familie umzustelle­n“, sagt die fünffache Mutter. Für den Großeinkau­f fährt sie mindestens einmal im Monat mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln nach Düsseldorf. Denn dort gibt es bereits einige wenige Geschäfte, in denen man ohne Verpackung­en einkaufen kann. „Man muss sich darauf einlassen. Dann geht das gut“, sagt sie. Bis auf Chips bekäme man eigentlich auch alles ohne Plastikmül­l. Und teurer sei das auch nicht.

Johanna Rau betreibt seit März dieses Jahres eines dieser Geschäfte, wo man verpackung­sfrei einkaufen kann, die „Flinse“im Düsseldorf­er Stadtteil Flingern. Und das offenbar mit Erfolg. Der Laden ist meist voll – und das auch unter der Woche. „Das Angebot wird sehr gut angenommen“, sagt sie. So gut sogar, dass sie bereits Angebote erhalten habe, zu expandiere­n, weitere und größere Filialen zu eröffnen. Aber das sei nichts für sie. „Ich will meine Kunden persönlich kennen und sie beraten. Das ist doch gerade das Schöne“, sagt sie. Das Konzept ist einfach: Alle Waren werden ohne Plastikver­packung angeboten. Die Kunden müssen Dosen, Becher und Gläser selbst mitbringen, in die sie die Lebensmitt­el abfüllen können. An der Kasse wird der Behälter dann gewogen. „Man lebt besser ohne Plastik“, sagt Rau. Und das denken offenbar immer mehr Menschen. Der Bedarf nach einem solchen Angebot scheint in der Landeshaup­tstadt da zu sein. Erst vor wenigen Tagen eröffnete mit „Unverpackt Düsseldorf“ein weiteres solches Geschäft, wo man Bio-Lebensmitt­el in beliebiger Menge einkaufen und in eigene Gefäße abfüllen kann. Aber nicht nur in Düsseldorf steigt die Nachfrage nach plastikfre­iem Einkaufen. Landesweit eröffnen immer mehr dieser Läden. So gibt es sie mittlerwei­le unter anderem auch in Bonn, Bottrop, Bochum, Dortmund, Essen, Mönchengla­dbach, Köln, Paderborn und Witten.

Auch die meisten großen Lebensmitt­elgeschäft­e und Discounter stellen sich langsam um. Viele bieten keine Plastiktüt­en mehr an den Kassen an. „Das wird bei uns sehr gut angenommen“, sagt eine Kassiereri­n von Rewe in Düsseldorf. „Die Kunden bringen ihre Tüten selbst mit oder kaufen eine Papiertüte“, sagt sie. Lidl verzichtet seit 2017 als erster Discounter in Deutschlan­d auf den Verkauf der Standard-Plastiktüt­e und spart damit nach eigenen Angaben jährlich mehr als 100 Millionen der Kunststoff­taschen ein. „Dies entspricht rund 3500 Tonnen Plastik“, sagt eine Lidl-Sprecherin. Auch achte man darauf, so wenig Obst und Gemüse wie möglich in Plastikfol­ien anzubieten. Wir verwenden alternativ­e Verpackung­smittel und testen etwa Zellulosen­etze aus 100 Prozent PEFC-zertifizie­rtem Buchenholz“, so die Sprecherin. Darüber hinaus prüfe man die Einsatzmög­lichkeiten von Gefäßen aus Biopolymer oder Grasfaser und teste Beschriftu­ngen mit Lebensmitt­elfarbe sowie Laserbesch­riftungen.

Doch längst nicht alle Lebensmitt­elgeschäft­e scheinen glücklich darüber zu sein, wenn ihre Kunden Tüten selbst mitbringen. So eine Erfahrung hat jedenfalls Ute N. aus Ratingen gemacht – und das ausgerechn­et beim Brötchenka­uf bei einem Biobäcker. Die Entgegenna­hme der Tüte durch das Verkaufspe­rsonal, um die Brötchen einzupacke­n, sei nicht gestattet, habe man ihr gesagt – offenbar aus hygienisch­en Gründen. N. kann das nicht nachvollzi­ehen. Sie könne auf diese Weise doch jede Menge Müll vermeiden. Und die Tüte sei trotz mehrfacher Benutzung noch völlig einwandfre­i gewesen. Nun sucht sie sich einen neuen Bäcker, zu dem sie ihre Tüten mitbringen darf.

Katharina Pfeiffer ist mittlerwei­le Stammkundi­n in der „Flinse“. Sie bekommt dort alles, was sie braucht: Selbst Süßigkeite­n für ihre Kinder gibt es. „Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, in einen normalen Supermarkt zu gehen“, sagt sie.

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FOTO: ANDREAS BRETZ In der „Flinse“in Düsseldorf kann man plastikfre­i einkaufen. Inhaberin Christina Rau hat ihr Geschäft erst im März dieses Jahres eröffnet. Die Nachfrage nach ihren Produkten ist groß.

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