Rheinische Post Viersen

Vom Sinn in Abschieden

Advent ist die Zeit der Begegnung – und schärft das Gespür für Vergänglic­hkeit.

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Wenn sich das Jahr mit den Wochen des Advent rundet, drängen sich Feiern und Termine, wird es auf manchen Plätzen laut und bunt. Trotzdem bemühen sich viele Leute gerade in der Vorweihnac­htszeit, etwas mehr innere Ruhe in ihr Leben zu bringen und sich bewusst mit Menschen zu treffen, die ihnen wichtig sind. Dasein füreinande­r und sich zugehörig fühlen sind ja nach wie vor hohe Werte für die meisten. Daran ändern all die Beschleuni­gungsproze­sse der Gegenwart und die Digitalisi­erung von immer mehr Lebensbere­ichen nichts. Vielleicht stärken sie sogar diese Bedürfniss­e. Gelingt in den Wochen des Advent das Zusammen sein mit Freunden oder der Familie, liegt darin jedoch manchmal auch etwas Schmerzlic­hes. Denn gerade dann kann einem ja bewusst werden, wie verwundbar solche schönen Momente sind. Da kann man noch so viel Mühe in vorweihnac­htliche Behaglichk­eit stecken. Es bleibt eine Wahrheit, dass der Mensch immer bereit sein muss, Abschied zu nehmen.

Weil das wehtut, neigt man dazu, darin keinen Sinn sehen zu wollen: Warum soll das Schöne enden? Warum müssen gute Menschen sterben? Doch ist ein Leben wahrschein­lich nur erfüllt zu leben, weil es endlich ist. Thomas Mann hat in seiner eleganten Art die Vergänglic­hkeit einmal als „die Seele des Seins“bezeichnet, denn erst die Vergänglic­hkeit schaffe die Zeit – und Zeit sei die „höchste, nutzbarste Gabe“.

Es gibt über endgültige Abschiede wenig Tröstliche­s zu sagen. Sie greifen unversöhnl­ich in das Leben, lassen keine Relativier­ung zu. Aber Zeit ist ohne Begrenzung nicht denkbar. Und in jeder Wertschätz­ung liegt auch diese feine Note der Trauer – die Ahnung, dass man gerade das als besonders kostbar empfindet, was man nicht festhalten kann.

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