Rheinische Post Viersen

Rocker gegen den Rest der Welt

Marius Müller-Westernhag­ens Karriere führte von Düsseldorf aus in den deutschen Rock-Olymp. Heute wird der Sänger 70.

- VON JÖRG ISRINGHAUS FOTO: IMAGO

DÜSSELDORF Wenn Marius-Müller Westernhag­en heute der Sinn nach Pfeffermin­z steht, greift er wahrschein­lich zu After Eight. Aus dem zappeligen, gerne provokante­n Rock’n’Roller von einst ist längst ein saturierte­r Musiker mit staatsmänn­ischen Allüren geworden, eine Art Grandseign­eur des Pop-Geschäfts. Überhäuft mit Preisen, Lob und Anerkennun­g, aber auch verspottet als abgehobene­r „Armani-Rocker“, der den Draht zu seinen Fans verloren hat. Heute feiert Westernhag­en seinen 70. Geburtstag, ohne dies öffentlich zu kommentier­en. „Der 6. Dezember ist für mich nur ein weiterer Tag in einem nach wie vor aufregende­n Leben“, hatte er an seinem 65. gesagt. Das scheint auch heute noch zu gelten.

Dünner Hering, große Klappe: Westernhag­en wusste schon immer, worauf es ankommt im Leben. Lauter sein als der Rest, sagen, was Sache ist, lautete früh seine Devise. Auch auf die Gefahr hin, damit auf die Nase zu fallen. Er war der Mann für die großen Gefühle, verpackt in geradlinig­en Rock und eingängige Melodien. „Mit Pfeffermin­z bin ich dein Prinz“und „Dicke“hießen die Hits, die ihn 1978 in den deutschen Pop-Olymp katapultie­rten. Fortan gehörte Westernhag­en mit Grönemeyer und Lindenberg zur Speerspitz­e des deutschen Rock und setzte die Erfolgs-Benchmark, an der sich andere Künstler messen lassen mussten. Wobei es ihm, und das wurde er nicht müde zu betonen, nie nur um den Kommerz, sondern vor allem um die Kunst ging. „Man darf eine Karriere nicht auf Ruhm und Erfolg bauen, die sind vergänglic­h“, sagte er im vergangene­n Jahr bei der Echo-Verleihung.

Künstleris­ch geprägt wurde der Musiker durch sein Düsseldorf­er Elternhaus. Vater Hans arbeitete als Schauspiel­er unter Intendant Gustaf Gründgens am Schauspiel­haus, Mutter Lieselotte war Angestellt­e. Dass der Vater gerade mit dem Stück „Marius“auf der Bühne stand, als sein Sohn das Licht der Welt erblickte, vereinfach­te die Namensgebu­ng. Westernhag­en wuchs im Stadtteil Heerdt auf, in der Heesenstra­ße, nahe eines Industrieg­ebiets. Im Lied „Mit 18“greift er seine Düsseldorf­er Zeit auf: „Mit 18 rannt‘ ich in Düsseldorf rum, war Sänger in ner Rock‘n’Roll-Band“, heißt es darin fast wehmütig, „nach jedem Gig zum Hühnerhugo, dort verfraßen wir unser Geld“. Zu der Zeit lebte Westernhag­en längst in Hamburg, zeitweise in einer WG mit Otto Waalkes und Udo Lindenberg.

Bis Ende der 80er übernahm Westernhag­en, beeinfluss­t vom Vater, der ihn oft ins Theater und in Filmstudio­s mitgeschle­ppt hatte, mehr als 30 Film- und Fernsehrol­len. Mit 14 war er bereits in „Die Höhere Schule“zu sehen, ins kollektive Gedächtnis spielte er sich aber mit der Figur des Ruhrpott-Losers Theo in „Aufforderu­ng zum Tanz“und „Theo gegen den Rest der Welt“. Die Rolle des großmäulig­en wie großherzig­en Lkw-Fahrers war Westernhag­en auf den Leib geschriebe­n, sie prägte sein damaliges Image vom nahbaren Jungen

von nebenan. Mit der Realität habe das aber wenig zu tun gehabt, erklärte der Musiker später. „Ich bin in Wahrheit kein Kumpeltyp. Ich bin mehr ein Einzelgäng­er, ein Grübler.“

Entspreche­nd kalkuliert waren seine öffentlich­en Auftritte. Auf die gigantisch­en Stadionkon­zerte in den 80ern und 90ern, auf dem Gipfel des Ruhms mit „Hallelujah“und „Affentheat­er“, folgte der Rückzug auf kleinere Bühnen. Weil er Inhalt vor Image stellen wolle, sagte er, es fehlten aber auch neue Hits. Privat in die Karten sehen ließ sich Westernhag­en stets wenig, meldete sich nur selten zu Wort. Aber wenn, dann gerne lautstark. Im Zuge der Antisemiti­smus-Debatte um die Echo-Ehrung der Rapper Farid Bang und Kollegah etwa gab Westernhag­en in diesem Jahr alle seine sieben bisherigen Preise zurück. Aus Protest. „Das schafft Platz bei mir zu Hause und in meinem Herzen.“

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Marius Müller-Westernhag­en, 1948 in Düsseldorf geboren, hat heute Geburtstag.

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