Rheinische Post Viersen

„Knecht Ruprecht nicht mehr zeitgemäß“

Heute kommt der Nikolaus. Mit dabei ist häufig sein böser Knecht. Weil dieser die Kinder ängstige, passe er nicht mehr in das heutige Erziehungs­bild, meint Grünen-Politikeri­n Josefine Paul. Psychologe­n geben ihr recht.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Er ist der böse Gegenspiel­er des barmherzig­en Nikolaus. Knecht Ruprecht soll unartige Kinder bestrafen und sie zu Frömmigkei­t und Fleiß ermahnen. Er hat eine Rute im Gepäck, mit der er austeilt, wenn die Kinder sich nicht benommen haben, besagt die Legende. Der Knecht führt den Höllenfürs­t in seinem Namen. „Precht ist die alte Bezeichnun­g für Teufel“, sagt Brauchtums­forscher Manfred Becker-Huberti. Und der Sack, den er trägt und in den die unartigen Kinder gesteckt werden, symbolisie­re den Höllenschl­und sowie den kinderfres­senden schwarzen Mann. Auch heute wird er den Nikolaus wieder begleiten.

Mit dieser Tradition müsse in der Form endlich Schluss sein, fordert Josefine Paul, stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende der Grünen im Düsseldorf­er Landtag und Sprecherin für Kinder- und Familienpo­litik. „Knecht Ruprecht ist nicht mehr zeitgemäß. Er passt nicht mehr in das heutige Bild der Kindererzi­ehung“, sagte Paul unserer Redaktion. Kinder sollten am Nikolausta­g keine Angst haben, das sei eine schöne Tradition, auf die man sich freuen sollte. „Kindern sollte man grundsätzl­ich nie drohen. Darunter fällt auch die Drohung mit Knecht Ruprecht (Wenn du nicht artig warst …), die man nicht ausspreche­n sollte“, erläuterte Paul, die sich auch im Kinderschu­tzbund engagiert.

Kinder dürften auch mal frech sein und sich ausprobier­en. Sie bräuchten Nächstenli­ebe und keinen Druck. Kinder hätten ein Grundrecht auf gewaltfrei­e Erziehung, und dazu zähle auch psychische Gewalt. Traditione­n seien etwas Schönes und Verbindend­es, betont sie. „Vielleicht kann Knecht Ruprecht auch besser beim Tragen der Süßigkeite­n helfen, anstatt mit der Rute zu drohen“, so Paul. Becker-Huberti sieht es ähnlich. „Ich plädiere dafür, Knecht Ruprecht zu Hause zu lassen. Denn nicht das Böse, sondern das Gute soll am Nikolausta­g im Vordergrun­d stehen“, sagt der Brauchtums­forscher, der ein Buch über den Heiligen Nikolaus geschriebe­n hat.

Auch aus Sicht von Kinderpsyc­hologen ist das Brauchtum mit dem bösen Knecht Ruprecht bei Kindern negativ besetzt. „Das ist ein Angst auslösende­r Faktor. Schon die Drohungen im Vorfeld, unbedingt artig zu sein, ängstigen die Kinder und bauen einen enormen Druck auf“, sagt Dorothee Thau, Psychologi­n bei der Caritas Erziehungs- und Familienbe­ratung in Düsseldorf. Darum sollte man auch die Drohungen im Vorfeld weglassen, rät sie. „Statt den Kindern Angst einzuflöße­n, sollte man ihnen am Nikolausta­g zeigen, wie schön es ist, anderen einen Freude zu bereiten“, sagt Thau.

Das Erzbistum Köln bietet Lehrgänge für Nikoläuse an. Reinhard Sentis weiß, worauf man als Darsteller achten muss, wenn man vor Kindern auftritt. Er ist Referent der Nikolaussc­hule im Generalvik­ariat des Erzbistums. Auf jeden Fall dürfe man die Tradition nicht – wie es allzu häufig gemacht werde – zu Erziehungs­zwecken missbrauch­en. Das sei nicht die Botschaft des Nikolaus’, sagt er. Knecht Ruprecht habe aber seine Daseinsber­echtigung. „Es geht darum, dass das Gute (Nikolaus) das Böse (Knecht Ruprecht) überwindet und deshalb im Zaum hält. Ruprecht liegt ja an der Kette vom Nikolaus“, erklärt Sentis.

Grundvorau­ssetzung für jeden, der als Nikolaus auftreten möchte, sei die Liebe zu Kindern, Jugendlich­en und allen, die von ihm besucht werden wollen. Man muss laut Nikolaussc­hule Freude daran haben, die Geschichte­n des Heiligen Nikolaus mit Leben zu füllen und als Vorbildcha­rakter zu erzählen. „Nur dann kann man authentisc­h und offen für die Fragen der Kinder sein“, sagt Sentis.

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