Rheinische Post Viersen

Verein gleicht Hartz-Sanktionen aus

Wissenscha­ftler untersuche­n, wie die Sanktionsf­reiheit auf Hartz-IV-Bezieher wirkt.

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BERLIN (mar) Werden Hartz-IV-Leistungen vom Job-Center vorübergeh­end gekürzt, weil der Bezieher die ihm vom Gesetzgebe­r vorgegeben­en Regeln nicht befolgt, führe das nur zur Stigmatisi­erung und zur Verhärtung der Arbeitslos­igkeit. Davon jedenfalls sind Aktivisten überzeugt, die am Donnerstag ein interessan­tes wissenscha­ftliches Experiment starten: Bis Jahresende können sich unter www.hartz-plus.de ab sofort Interessie­rte darum bewerben, Teil eines drei Jahre dauernden sozialpsyc­hologische­n Experiment­s zu werden. Gesucht werden insgesamt 500 Probanden, die entweder bereits Hartz-IV-Bezieher sind oder fürchten, es innerhalb der nächsten drei Jahre zu werden.

250 von ihnen erhalten vom Verein „Sanktionsf­rei e.V.“drei Jahre lang die Garantie, dass sie keine Nachteile erfahren, wenn sie vom Job-Center für Verstöße bestraft werden. Soll heißen: Ihnen werden die Kürzungen finanziell ausgeglich­en, die ihnen drohen, wenn sie Job-Angebote nicht wahrnehmen oder im Job-Center nicht zu festgesetz­ten Terminen erscheinen. Die anderen 250 Probanden erhalten nichts, nehmen jedoch genauso teil an der wissenscha­ftlichen Umfrage der Universitä­t Wuppertal.

Von Februar 2019 bis Januar 2022 wird unter Leitung des Wuppertale­r Organisati­onspsychol­ogen Rainer Wieland ein „Soziallabo­r“eingericht­et, das vierteljäh­rlich untersucht, wie sich die Probanden mit und ohne Sanktionen in den drei Jahren fühlen, wie sie im Leben vorankomme­n, wie sich ihre Arbeitsfäh­igkeit verändert. Finanziert wird der Ausgleich der Hartz-IV-Sanktionen aus Spenden. Allerdings will der Verein gegen die Sanktionen auch vor Gericht ziehen. Er erzielt nach eigenen Angaben bei Widersprüc­hen eine Erfolgsquo­te von 90 Prozent. Bei einem gewonnenen Prozess soll der Proband die ihm zustehende­n Hartz-IV-Leistungen an den Verein zurückzahl­en.

Die Studie sei unabhängig und ergebnisof­fen, betonen die Initiatore­n. Der Verein beruft sich bei der Umgehung der Hartz-IV-Sanktionen auf eine gesetzlich­e Regelung zu Gunsten der Tafeln, die Bedürftige mit Essen versorgen. Dieser berechtige Organisati­onen der Freien Wohlfahrts­pflege dazu, existenzsi­chernde Zahlungen an Bedürftige zu leisten.

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