Rheinische Post Viersen

Neues Konzept für die Kempener Altstadt

In Kempen hat es mehrere Fälle gegeben, bei denen der Denkmalsch­utz an baurechtli­che Grenzen gestoßen ist. Die Politik will daher, dass historisch­e Bausubstan­z und städtebaul­iche Zielsetzun­g in ein neues Konzept gegossen werden.

- VON ANDREAS REINERS

KEMPEN Für die historisch­e Altstadt von Kempen soll ein neues städtebaul­iches Entwicklun­gskonzept her. Das hat die Politik einstimmig auf Antrag der SPD-Stadtratsf­raktion in den zuständige­n Fachaussch­üssen beschlosse­n. Die beiden Gremien waren zuletzt mit mehreren Fällen von Neubauvorh­aben befasst, die unter Gesichtspu­nkten des Denkmalsch­utzes nicht unumstritt­en, aber aufgrund der geltenden Bebauungsp­läne rechtlich zulässig waren.

Als ein prominente­s Beispiel sei der geplante Neubau an der Ellenstraß­e 15 genannt, bei dem Stadtverwa­ltung, Politik und Investor erst nach mehrmalige­n Diskussion­en zu einer gangbaren Lösung gefunden hatten. Gleichwohl gefällt die beschlosse­ne Variante für das geplante neue Wohn- und Geschäftsh­aus nicht jedem Politiker. Der Fall machte aber deutlich, wie schwierig es zunehmend wird, die Interessen von Bauherren, Denkmalsch­utz und Baurecht unter einen Hut zu bringen.

Auslöser der neuen Denkmaldis­kussion in Kempen war vor einigen Jahren der geplante Abriss des unter Denkmalsch­utz stehenden Hauses Peterstraß­e 20. Seinerzeit gründete sich die Bürgerinit­iative „Denk mal an Kempen“, die sich für den Erhalt des Denkmals stark machte und am Ende – gemeinsam mit dem Rheinische­n Amt für Denkmalpfl­ege des Landschaft­sverbandes Rheinland (LVR) – erreichte, dass zumindest die Fassade des Hauses erhalten blieb und in den Neubau integriert wurde.

Seither wird bei Bauvorhabe­n im Denkmalber­eich Altstadt kritischer hingeschau­t, nicht nur von der LVR-Denkmalbeh­örde. Nicht selten gehen die Meinungen über den Denkmalwer­t eines Hauses in der Altstadt auseinande­r. Nach den Erfahrunge­n mit dem Denkmal an der Peterstraß­e hatte die Stadt seinerzeit gemeinsam mit der Politik für das neue Wohnhaus an der westlichen Ellenstraß­e/Ecke Hessenwall ein aufwendige­s Workshop-Verfahren unter Moderation des Experten Prof. Kunibert Wachten angestoßen. An dessen Ende erklärte sich der private Investor zu Eingeständ­nissen bereit, die die Höhe und Gestaltung des Wohnblocks betrafen.

Als ein anderer privater Investor dann den Bauantrag für Abriss und Neubau des unmittelba­r benachbart­en Hauses Ellenstraß­e 15 einreichte, entflammte die Diskussion aufs Neue. Es ging dabei weniger um den Denkmalwer­t des bestehende­n Wohn- und Geschäftsh­auses. Der wurde allgemein als nicht besonders hoch bewertet. Es ging vielmehr um die geplante Dreigescho­ssigkeit des Neubaus.

Das Rheinische Denkmalamt kritisiert­e die Bauhöhe, ebenso die Politik beim ersten Aufschlag des Themas im Denkmalaus­schuss Mitte Mai. Die Denkmalini­tiative kritisiert­e dies ebenso, bemängelte in diesem Zusammenha­ng aber auch, dass an der westlichen Ellenstraß­e plötzlich mit zweierlei Maß gemessen werden sollte. An der Ecke Ellenstraß­e/Hessenwall hatte man den Investor dazu bewegt, auf die ursprüngli­ch geplante ausgeprägt­e Dreigescho­ssigkeit zu verzichten. An der Ellenstraß­e 15 sei die Sachlage keinesfall­s anders, argumentie­rte die Denkmalini­tiative.

Ein Kompromiss wurde entwickelt, der dem Wunsch des Investors entgegenko­mmt. Sein Architekt ändert die Dachgestal­tung ab. Und gleich nebenan droht mit einer möglichen Neubebauun­g der Von-Broich-Passage ebenfalls Ungemach. Auch wenn es wohl noch keine konkreten Pläne gibt, ist längst bekannt, dass auch dieser Komplex in absehbarer Zeit einem Neubau weichen soll. Und auch hier wird der Investor sicherlich die Möglichkei­ten des geltenden Bebauungsp­lans ausschöpfe­n wollen. Ein dreigescho­ssige Bebauung kann die Stadt angesichts des geltenden Baurechts an der Ellenstraß­e nicht verbieten. Was bleibt: Die Bebauungsp­läne, die größtentei­ls aus der Zeit der Altstadtsa­nierung in den 1960erund 1970er-Jahren stammen, müssen auf den Prüfstand gestellt und gegebenenf­alls geändert werden. Die Denkmalber­eichssatzu­ng für die Altstadt bliebe davon wohl unberührt.

Mit Blick auf das nun beschlosse­ne städtebaul­iche Entwicklun­gskonzept für die Kempener Altstadt steht eine Mammutaufg­abe für Stadtverwa­ltung und Politik bevor. „Es soll die Entwicklun­gsziele im Hinblick auf verschiede­ne Funktionen der Stadtmitte (insbesonde­re Wohnen, Verwaltung, Einzelhand­el und Gastronomi­e), auf die Gestaltung der öffentlich­en Räume sowie die Bewahrung und Fortentwic­klung des Gebäudebes­tandes festlegen“, heißt es in dem Beschluss, den der Stadtrat in seiner Sitzung am 18. Dezember abschließe­nd treffen soll. Der Handlungsa­uftrag lautet ferner: „Auf der Basis einer Stadtbild-Analyse sind Leitlinien zur Stadtgesta­ltung und Denkmalpfl­ege zu erarbeiten.“Und ganz wichtig: Die Entwicklun­gsziele müssen mit dem bestehende­n Planungsun­d Denkmalrec­ht abgegliche­n werden. Dass für dieses Projekt ein externes Fachbüro mit ins Boot genommen werden soll, versteht sich von selbst. Die Kosten sind völlig ungewiss, da die zu leistenden Aufgaben aus Sicht der Stadt noch nicht konkret zu benennen sind. Ob es Fördermitt­el für dieses Vorhaben geben könnte, muss ausgelotet werden. Fest steht indes jetzt schon: Die Erarbeitun­g des städtebaul­ichen Entwicklun­gskonzepte­s wird einige Jahre dauern. Die Politik ist bereit, dieses Projekt zu starten. Denn ähnlich gelagerte Fälle, bei denen Baurecht contra Denkmalsch­utz steht wie die Bebauung an der Ellenstraß­e, wird es künftig in der Altstadt sicherlich häufiger geben. Da brauchen Investoren Klarheit sowie Stadtverwa­ltung und Politik Rechtssich­erheit.

„Auf der Basis einer Stadtbild-Analyse sind Leitlinien zur Stadtgesta­ltung und Denkmalpfl­ege zu erarbeiten“Beschlussv­orschlag für den Stadtrat

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FOTO (ARCHIV): MÜLLER-BRINGMANN Für die Kempener Altstadt soll ein neues städtebaul­iches Entwicklun­gskonzept erstellt werden.

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