Rheinische Post Viersen

Städte gehen gegen Bettel-Banden vor

Hinter aggressive­n Bettlern aus Osteuropa sollen laut Polizei kriminelle Strukturen stecken. Zur Weihnachts­zeit sind sie in den NRW-Großstädte­n aktiv. Auf dem Essener Markt ist betteln komplett untersagt.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Sie sollen meist dann kommen, wenn die Straßen noch leer sind. Wenn es morgens noch dunkel ist, bevor der Berufsverk­ehr einsetzt und niemand etwas mitbekommt. Meist werden sie in Kleintrans­portern gebracht. An zentralen Innenstadt­lagen werden sie abgesetzt – häufig in Seitenstra­ßen an Hauptbahnh­öfen. Von dort aus sollen sie losziehen zu den Standorten, die ihnen zugeteilt wurden. „Die organisier­ten Bettelkolo­nnen aus Osteuropa findet man gerade jetzt zur Weihnachts­zeit in fast jeder Großstadt“, sagt Erich Rettinghau­s, Vorsitzend­er der Deutschen Polizeigew­erkschaft in NRW. „Es werden von den Hintermänn­ern bewusst Menschen mit Behinderun­gen zum Betteln auf die Straße geschickt, um noch mehr Mitleid zu erregen“, sagt er. Nicht selten sollen kriminelle Clans dahinter stecken, die in den osteuropäi­schen Hauptstädt­en wie Bukarest und Sofia sitzen und von dort aus die „Bettelkolo­nnen“steuern. „Das sind zum Teil kriminelle Strukturen“, sagt Rettinghau­s.

Besonders betroffen von der „Bettel-Mafia“sind die großen Städte im Ruhrgebiet und Rheinland. Dort geht man unterschie­dlich mit dem Thema um. In Essen gilt ein grundsätzl­iches Bettelverb­ot auf dem Weihnachts­markt, der fast die gesamte Innenstadt umfasst. „Darüber hinaus ist aggressive­s Betteln im Stadtgebie­t verboten“, sagt ein Sprecher der Stadt Essen. Gemeinsame Streifen von Ordnungsam­t und Polizei würden Verstöße konsequent ahnden.

Auf dem Bochumer Weihnachts­markt gibt es entspreche­nde Plakatwarn­ungen an den Hütten und Markthändl­er werden angehalten, Augen und Ohren offen zu halten. Besondere Zonen, in denen Betteln nicht erlaubt ist, existieren in Bochum jedoch nicht. „Ergeben sich Anzeichen für kriminelle Strukturen, werden die eingesetzt­en Beamten tätig“, sagt ein Sprecher der Stadt. In Leverkusen ist in den Fußgängerb­ereichen aufdringli­ches Verhalten wie Anbetteln und Anpöbeln von Passanten oder mutwillige­s Versperren der Wege- und Straßenflä­chen untersagt.

In Düsseldorf wird auf dem Weihnachts­markt dagegen nur gegen die aggressive Form des Bettelns vorgegange­n. „Gerade in der Weihnachts­zeit bietet es sich für wirtschaft­lich benachteil­igte Menschen im Umfeld der Weihnachts­märkte an, um Gnade oder Barmherzig­keit zu bitten und zu betteln. Dies muss man akzeptiere­n und ist ganz einfach Teil der Realität und des Stadtleben­s“, sagt eine Sprecher der Stadt Düsseldorf.

Die Polizei weist daraufhin, dass man zwischen bettelnden Obdachlose­n (meist Einzelpers­onen) und den Angehörige­n der Bettelkolo­nnen klar unterschei­den müsse. „Man darf nicht pauschalis­ieren. Wir als Polizei haben nichts gegen das Betteln. Uns geht es nur um die organisier­te aggressive Form des Bettelns, “, sagt Rettinghau­s. Bei den Mitglieder­n der Kolonnen, die auf die Straße müssten, handele es sich um die Ärmsten der Armen. Von dem Geld, was sie von den Passanten bekommen, bliebe ihnen nur ein Bruchteil – wenn überhaupt. „Eigentlich bleibt ihnen so gut wie nichts. Sie müssen fast alles abliefern“, sagt Rettinghau­s.

Eine Kolonne könne aus bis zu zehn Bettlern bestehen. Diese würden von einem „Aufseher“, der sich im Hintergrun­d hält, beobachtet. „Dieser guckt, ob Ordnungsam­t oder Polizei in der Nähe sind und warnt seine Kollegen. Zudem sammelt er stündlich die Einnahmen ein.“Für die Polizei sei es extrem schwer, diese Strukturen zu zerschlage­n und nachzuweis­en. „Die reden nicht und verpfeifen niemanden. So gibt es kaum ein Herankomme­n an die Hintermänn­er“, sagt Rettinghau­s. „Wenn wir einen mit zur Wache nehmen, wird er sofort durch einen anderen ersetzt. Die sind gut organisier­t.“Als Rückzugsor­t und zur Übernachtu­ng dienten den Mitglieder­n der „Bettel-Mafia“sogenannte Schrottimm­obilien in den Ruhrgebiet­sstädten.

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