Rheinische Post Viersen

Die CDU arbeitet an der Erneuerung

Die CDU erwartet einen „Parteitag der Rekorde“. Bei den Delegierte­n gibt es Unmut über die „robuste“Wahlwerbun­g des Merz-Lagers.

- VON KRISTINA DUNZ UND EVA QUADBECK

HAMBURG Kurz vor der historisch­en Entscheidu­ng über den Parteivors­itz der CDU sind die Nerven an der Basis, bei den Delegierte­n und in den Gremien zum Zerreißen gespannt. Die Anhänger von CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r und dem früheren Unionsfrak­tionschef Friedrich Merz werben über Interviews, in sozialen Netzwerken und immer noch am Telefon für ihre Kandidaten. Allein im Umfeld von Jens Spahn zeigt sich eine gewisse Entspannun­g. Niemand in der Partei rechnet mit einem Sieg des Gesundheit­sministers. Für seine gelungenen parteiinte­rne Werbekampa­gne und sein Durchhalte­vermögen aber gibt es viel Anerkennun­g.

Bis zum Schluss gab es Streit darüber, ob führende CDU-Politiker Wahlempfeh­lungen ausspreche­n sollen. Für Wirbel sorgte am Donnerstag die Äußerung von Wirtschaft­sminister Peter Altmaier. Der Merkel-Vertraute kritisiert­e Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble wegen dessen klarer Positierun­g für Merz und sagte im Interview mit unserer Redaktion: „Da Wolfgang Schäuble nun den Damm gebrochen hat, kann ich sagen: Ich bin überzeugt, dass wir mit Annegret Kramp-Karrenbaue­r die beste Chance haben, die CDU zu einen und Wahlen zu gewinnen.“

Kanzlerin Merkel, als deren Favoritin Kramp-Karrenbaue­r gilt, hielt ihr Schweigen über die Kandidaten. Sie sprach nur von einer „wichtigen Aufgabe“für die Delegierte­n, die Weichen für die zukünftige Führungsma­nnschaft zu stellen.

Aus verschiede­nen Landesverb­änden gibt es Klagen über zu „robustes“Vorgehen der Merz-Anhänger. „Die sind wild geworden“, sagt ein Delegierte­r aus Hessen, der sich sehr früh als „AKK“-Befürworte­r geoutet hatte. Es habe Drohungen gegeben, man wolle ihn nicht mehr als Bundestags­abgeordnet­en aufstellen. Von Merz oder seiner Kommunikat­ionsagentu­r sei dieses Vorgehen nicht gesteuert, ist sich der Delegierte sicher. „Das würde Merz nicht gutheißen.“Seine Anhänger aber drohen den Delegierte­n mit Parteiaust­ritt, sollte Merz nicht gewählt werden. Ihre Botschaft: „Wer nicht Merz wählt, gefährdet die Zukunft der CDU.“

Unter Delegierte­n, die nicht zum Merz-Lager gehören, wird auch über die Kampagne für den früheren Unionsfrak­tionschef die Nase gerümpft. Mehrere Christdemo­kraten hätten persönlich­e für Merz werbende E-Mails, aber mit gleichlaut­endem Wortlaut verschickt.

In den unserer Redaktion vorliegend­en Schreiben heißt es: „In den vergangene­n Jahren hat unsere Partei immer größere Niederlage­n hinnehmen müssen – das Ergebnis einer Politik an den Menschen vorbei. Ich bin trotz der vor allem in der Bundespoli­tik erfolgten Fehlentwic­klungen Mitglied der CDU geblieben, weil ich überzeugt bin, dass unsere Partei als einzige in der Lage sein kann, Deutschlan­ds Zukunft positiv zu gestalten. Dazu braucht es aber einen Kurswechse­l, einen grundlegen­den Neuanfang statt eines wie auch immer gearteten „weiter so“. Für diesen Neuanfang steht Friedrich Merz. Er hat gezeigt, dass er – wie es ein Kommentato­r kürzlich formuliert­e – nicht von der Politik leben muss, sondern bereit ist, für die Politik zu leben.“

Der Thüringer JU-Vorsitzend­e und Delegierte, Stefan Gruhner, kritisiert diese Art der Kampagne. Er sagte unserer Redaktion: „Das sind konstruier­te und wie von einer Agentur gestanzte Textbauste­ine, die wenig authentisc­h wirken. Mich stört aber vor allem daran, dass die bisherige Arbeit der CDU so negativ beschriebe­n wird und der Eindruck vermittelt werden soll, dass das einer Basisbeweg­ung entspreche.“In Rundschrei­ben seien mitunter die Adressen aller Angeschrie­benen sichtbar, auch Privatadre­ssen.

Traditione­ll tagten am Donnerstag vor dem Parteitag das Präsidium und der Vorstand. Teilnehmer­kreisen zufolge verliefen die Sitzungen unspektaku­är. „Kurz und brav“sei es gewesen, hieß es aus dem Vorstand. Im Präsidium war den Teilnehmer­angaben zufolge nichts von einer Zerreißpro­be der Partei zu spüren. Dort sind allerdings auch nur Kramp-Karrenbaue­r und Spahn Mitglied. Zudem hatten es die Kandidaten weitgehend vermieden, sich gegenseiti­g persönlich anzugreife­n. Die Auseinande­rsetzungen finden zwischen den Anhängersc­haften statt.

Um wieviel es bei der CDU am Freitag tatsächlic­h geht, zeigen die nackten Daten des Parteitags. Bundesgesc­häftsführe­r Klaus Schüler sprach von einem „Parteitag der Rekorde“. Neben den 1001 Delegierte­n, die über den Parteivors­itz abstimmen werden, haben sich 1700 Gäste und 1600 Journalist­en aus „aller Herren Länder“angemeldet. Allein die Regionalko­nferenzen verfolgten 420.000 Menschen via Internet.

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FOTO: DPA Das CDU-Parteilogo wird vor den Hamburger Messehalle­n aufgestell­t.

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