Rheinische Post Viersen

Greg erwischt es diesmal eiskalt

Von der derzeit berühmtest­en Comicfigur ist ein neues Tagebuch erschienen – das 13. schon! Und natürlich gibt es wieder Probleme.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

DÜSSELDORF Selbstvers­tändlich ist Greg ein Philosoph. Also ein recht kleiner noch, aber immerhin. Und wer das immer noch nicht glaubt, sollte doch bitte in sein neues Tagebuch – es ist das 13. – mal ganz hinten reinschaue­n und dann das lesen: „Und wenn ich eins über mich gelernt habe, dann, dass ich einfach nicht der HELDENHAFT­E Typ bin. Glaubt mir, ich finde es gut, dass solche Menschen existieren, aber die Welt braucht auch Leute wie MICH.“

Das stimmt. Und das ist dann nicht nur die platte Solidaritä­t mit einer der berühmtest­en Comicfigur­en weltweit, sondern eben auch ein Stück Selbsterke­nntnis. Schließlic­h laufen alle Bücher auf diese unglaublic­he Lebensklug­heit hinaus: Wir sind alle Greg! Wobei von dieser Einsicht ganz besonders Jungen heimgesuch­t werden, die eben nicht gerade zu den Leseratten zählen, doch ausgerechn­et dank Greg massenhaft mit Büchern in Kontakt kommen. Das darf in Anbetracht der nicht gerade mickrigen Fangemeind­e hoffnungsv­oll stimmen: Bisher verkaufte sich die Tagebuch-Reihe weltweit mehr als 200 Millionen Mal; allein hierzuland­e zählt die Gesamtaufl­age 18 Millionen Exemplare, was den Verlag ermunterte, bei „Eiskalt erwischt“mit einer erneut rekordverd­ächtigen Auflage von 600.000 Exemplaren an den Start zu gehen.

Dass Gregs Schöpfer, der 47-jährige Jeff Kinney, der in dem Nest Plainville irgendwo in Massachuse­tts lebt, auch noch einen Buchladen betreibt, ist bei diesem Erfolg natürlich ein Witz. Oder so eine PR-Nummer. Oder vielleicht auch die verrückte Wahrheit, was wiederum die Vaterschaf­t von Greg beglaubige­n würde.

Worum es im 13. Tagebuch geht? Wie immer um recht wenig. Und das ist schon freundlich formuliert. Denn eigentlich passiert – seien wir ehrlich – fast nichts! Und das aus Prinzip: So wird Greg partout nicht älter und sein zeichneris­ch winzig geratener Bruder Manni schon gar nicht. Außerdem hat Greg wie auch alle seine Freunde kein Smartphone. Irgendwie ist das eine skurrile Zeitblase. Und doch ist seine Welt unsere. Gregs kleine Sorgen sind die vielen kleinen Sorgen der Jungs in seinem Alter (was die Probleme natürlich nicht undramatis­cher macht); Gregs Überlegung­en sind ihre Überlegung­en, sein Schulweg ihr Schulweg, seine unerschütt­erlich pädagogisc­he Mutter immer auch ihre Mutter. So harmlos, so bedrohlich, so alltäglich, so lebensnah.

Diesmal schneit es. Kann ja auch mal passieren. Das Dumme ist bloß, dass der Schulweg von Greg und seinem besten Kumpel Rupert auch durch die untere Silver Street führt, und dort wohnen die nicht zimperlich­en „Doppelhaus­kinder“. Das ist kein Zuckerschl­ecken, und in eisigen Winterzeit­en erst recht nicht. Zumal auch noch der Schneepflu­g in der Straße stecken geblieben ist und jetzt die pure Anarchie herrscht.

Ein klassische­r Überlebens­kampf beginnt, so hart, wie er eben nur unter Jungs in der Silver Street geführt werden kann – also mit Schneebäll­en. Wer das bestehen will, schaut darum besser bei Mitchell Pickett vorbei, der in seinem Schuppen einen unglaublic­hen Vorrat an winterlich­en Kampfmitte­ln gesammelt hat und diese verkauft. Schneeball­schleudern stehen ziemlich hoch im Kurs, noch höher nur die gefürchtet­en Matschkern­bälle. Greg hat keine Ahnung, wie Mitchell das hinbekommt; jedenfalls sind sie fünfmal so teuer wie herkömmlic­he Schneebäll­e.

Dieser Mitchell Pickett wird am Ende – man ahnt es schon – der große Schneeball­kriegs-Gewinnler sein und sich von all dem Geld sogar ein echtes Schneemobi­l leisten können. Herzlose Welt. Und besonders herzlos ist sie wie immer gegen Greg, der schon daheim genug Sorgen hat. Ein schulfreie­r Schneetag gestaltet sich nämlich gar nicht so toll wie erhofft. Weil Mom nämlich die Batterien aus der Fernbedien­ung genommen und versteckt hat, die man nur finden kann, wenn man für jede Batterie ein Arbeit erledigt. Etwa die Spülmaschi­ne ausräumen oder das untere Bad putzen. Und dann hat die Fernbedien­ung auch noch vier Batterien!

Vielleicht lieben alle Greg, weil er so stinknorma­l ist. Ein Allerwelts­junge. Und selbst die Ästhetik des Comic-Romans ist schlicht. Die Figuren sind wie immer simpel gezeichnet, nur mit ein paar Strichen skizziert. Selbstvers­tändlich alles im selbstgenü­gsamen SchwarzWei­ß, als wäre jeder noch so kleine Farbklecks eine unverzeihl­iche Greg-Lästerung! Diese Kargheit ist das Markenzeic­hen, wobei das scheinbar Amateurhaf­te mit großer Profession­alität erzielt wird. Jeff Kinney ist nämlich von Hause aus ein Spieledesi­gner, der weiß, was auch optisch bei seiner Kundschaft ankommt.

Doch alles wäre nichts ohne die große Botschaft des Überlebens­künstlers Greg, die auch im 13. Tagebuch nicht fehlt: „Wenn es in 500 Millionen Jahren noch Menschen auf der Erde gibt, dann liegt das daran, dass die Greg Heffleys dieser Welt eine Möglichkei­t gefunden haben, alles zu ÜBERLEBEN.“Sogar die Doppelhaus­kinder von der unteren Silver Street.

 ?? ZEICHNUNG: JEFF KINNEY ?? Greg (links) mit Baby Gibson und Freund Rupert im tapferen Abwehrkamp­f gegen die Jungs von der unteren Silver Street.
ZEICHNUNG: JEFF KINNEY Greg (links) mit Baby Gibson und Freund Rupert im tapferen Abwehrkamp­f gegen die Jungs von der unteren Silver Street.

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