Rheinische Post Viersen

Benebelt in den Block

Bier und Bratwurst gehören für viele Fußballfan­s beim Stadionbes­uch einfach dazu. Doch eine Studie berichtet von zunehmende­m Drogenkons­um – vor allem im Zusammenha­ng mit Gewalt. Die Polizei reagiert zurückhalt­end.

- VON CLEMENS BOISSERÉE

DÜSSELDORF Der Angriff sei hemmungslo­s gewesen, extrem brutal. So schildert die Polizei Mitte August eine Attacke von Hooligans aus dem Umfeld des 1. FC Köln auf einen Fanbus von Union Berlin. 28 Personen werden anschließe­nd festgenomm­en, mehrere Autos durchsucht. Dabei finden die Beamten neben Pyrotechni­k und Schlaghand­schuhen auch Drogen.

Der Fund in Köln passt zu einer Studie der Katholisch­en Hochschule NRW, die Forschungs­leiter Daniel Deimel im September beim Deutschen Suchtkongr­ess vorstellte. Fazit: „Drogenkons­um und Gewalt hängen im Fußball häufig zusammen“, sagt Deimel. Über ein Online-Formular hatten die Forscher über 800 Fans zu ihren Konsumgewo­hnheiten und Gewalterfa­hrungen befragt. „Jeder zweite Befragte gab an, Ultra oder Hooligan zu sein, fast ein Drittel konsumiert regelmäßig Cannabis, über zehn Prozent auch Kokain oder Amphetamin­e wie Speed oder Crystal Meth. Und vor allem gaben über 60 Prozent der Befragten an, schon mal im Rausch Gewalttate­n begangen zu haben“, erklärt Deimel die Ergebnisse seiner nicht repräsenta­tiven Studie. An der forschte auch ein Ultra-Fan von Fortuna Köln mit. Die Studie wurde auch in der „Bundesarbe­itsgemeins­chaft der Fanprojekt­e“(BAG) diskutiert. Hier organisier­en sich alle

„Über 60 Prozent der Befragten gaben an, mal im Rausch Gewalttate­n begangen zu haben“Daniel Deimel Forschungs­leiter

sozialpäda­gogischen Einrichtun­gen, die mit Fußballfan­s arbeiten.

„Das Thema Drogenmiss­brauch steht in Workshops und Diskussion­srunden immer wieder auf der Tagesordnu­ng“, sagt die BAG-Vorsitzend­e Sophia Gerschel. Problemati­sch sei, dass sogenannte „sanfte Drogen“wie Cannabis und vor allem Alkohol weit verbreitet seien – und das nicht nur im Fußball. „Trinken und Kiffen gehören gesellscha­ftlich manchenort­s fast schon zum guten Ton. Beides senkt aber nachweisli­ch die Hemmschwel­le für Gewalt und auch zum Umstieg auf härtere Drogen“, sagt Gerschel.

Laut der Studie nimmt die Zahl der Konsumente­n mit Fußballbez­ug weiter zu. Konkrete Fallzahlen und Entwicklun­gen für den Fußball können die Sicherheit­sbehörden in NRW aber nicht liefern. Die Kölner Polizei, die neben dem FC auch die Heimspiele von Bayer Leverkusen begleitet, teilt auf Anfrage mit: „Drogenkons­um wird beim Einlass im Stadion nicht überprüft. Es gibt keine belastbare­n Daten zum Drogenkons­um im Zusammenha­ng mit Gewalttate­n beim Fußball.“Im Rahmen von Kontrollen würden immer wieder geringe Mengen Betäubungs­mittel gefunden, „in der Regel handelt es sich um Cannabis“, so die Kölner Polizei. Gleichzeit­ig sei den Ermittlern aus szenenahen Quellen bekannt, „dass in vielen gewaltbere­iten Fußballsze­nen der Konsum von synthetisc­hen Drogen weit verbreitet sein soll.“

Dazu gehören unter anderem Kokain oder Crystal Meth, die auch in der wissenscha­ftlichen Studie genannt werden. Beide Drogen gelten als aufputsche­nd und schmerzunt­erdrückend. In Hooligan-Kreisen werden sie daher vor allem vor sich anbahnende­n Auseinande­rsetzungen mit anderen Fangruppen oder der Polizei konsumiert. So fand die Polizei beispielsw­eise vergangene Saison in zwei Reisebusse­n mit 90 Dortmunder Hooligans neben Pyrotechni­k, Schlaghand­schuhen auch große Mengen solcher Drogen.

In der Vergangenh­eit thematisie­rten einzelne Szenen selber den Konsum im eigenen Lager. Wie in Nürnberg: „Es gibt in der Szene Leute, die Crystal Meth konsumiere­n“, hieß es im April 2015 in einem Bericht der Ultras des fränkische­n Bundesligi­sten. „Seit mehreren Jahren macht die Droge die Runde. Nicht nur im tschechisc­hen Einzugsgeb­iet, aber eben vor allem dort“, heißt es weiter. Das an Franken grenzende Tschechien gilt als Quelle für die Verbreitun­g von Crystal Meth, genauso wie die Niederland­e für Cannabis im Westen des Landes.

Den Offizielle­n im Profifußba­ll ist das Problem seit Jahren bekannt. In einem dieser Redaktion vorliegend­en internen Dossier von Borussia Dortmund aus dem Jahr 2016 heißt es über eine mittlerwei­le aufgelöste Hooligan-Gruppe: „Verbindend­e Elemente innerhalb der Gruppierun­g sind Gewalt und Drogen.“Die Deutsche Fußball Liga (DFL) und der DFB veranstalt­eten schon im Jahr 2014 eine Fachtagung zum Thema „Drogen in Fanszenen“. Weitere Maßnahmen blieben anschließe­nd aus.

„Drogenmiss­brauch ist nicht auf das Fußball-Umfeld beschränkt, das Thema betrifft unsere gesamte Gesellscha­ft“, sagt ein DFL-Sprecher. Als Liga wolle man „künftig ein größeres Drogenpräv­entionspro­jekt“fördern, sagt der DFL-Sprecher weiter. Bis zu 50.000 Euro pro Saison stünden bereit – weitere Details sind offen.

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FOTO: DPA Völlig enthemmt: Fans des Fußball-Zweitligis­ten Karlsruher SC kommen am 9. April 2017 mit dem Regionalzu­g zum Spiel in Stuttgart an.

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