Rheinische Post Viersen

Essen in der Nähe der Borussia-Profis

Das Palace St. George und das Mönchengla­dbacher Stadion sind direkte Nachbarn. Die Küche ist eher österreich­isch geprägt, denn der Chef ist Tiroler.

- VON SIMONE A. MAYER UND MARTINA STÖCKER

Müllvermei­dung ist das Thema der Zeit, ebenso die Verschwend­ung von Lebensmitt­eln. Der Strunk vieler Gemüsesort­en zum Beispiel bleibt nun mal beim Zubereiten übrig. Ein neues Schlagwort macht deshalb die Runde: Regrowing. Dabei wird aus den Resten einer Pflanze diese sozusagen wieder zum Leben erweckt. Und so wächst auf der Fensterban­k aus einem Strunk wieder ein neues Salatköpfc­hen.

Die Pflanzenex­pertin und Buchautori­n Melissa Raupach aus München hat mit Felix Lill diesen Weg erkundet und ein Buch mit dem Titel „Regrow your veggies“geschriebe­n. „Regrowing heißt Nachwachse­n lassen. Also etwas Bestehende­m, etwa einem Salatstrun­k, der im Müll landen würde, neues Leben zu schenken“, sagt Raupach. Das Zauberwort dafür ist aber die vegetative Vermehrung. Denn Pflanzenze­llen seien in gewissem Maße in der Lage, ihre eigentlich­e Aufgabe zu vergessen und sich in junge, teilungsfä­hige Zellstrukt­uren zurückzuen­twickeln. „Dieser Prozess wird Dedifferen­zierung genannt. Die daraus entstehend­en Zellen sind totipotent.“Theoretisc­h könne aus jeder Zelle noch alles werden. Beispielsw­eise entwickele ein Basilikum-Steckling am eigentlich­en Spross neue Wurzeln, und es bilde sich eine neue Basilikump­flanze.

Für Einsteiger empfiehlt die Expertin Lauchzwieb­eln. „Da ist die Erfolgsgar­antie am höchsten“, sagt Raupach. Man sehe relativ schnell, dass etwas Neues wächst. Fürs Regrowing sollte Gut gelegen? Die Frage ist ja immer weit gefasst. Und obwohl das Palace St. George nicht gerade in reizvoller Umgebung liegt, beantworte­n wir sie dennoch mit ja. Denn das Restaurant und seine Umgebung sind ein gutes Beispiel dafür, wie eine Stadt ihre Probleme mit Strukturwa­ndel und Arbeitspla­tzverluste­n in den Griff kriegt und in kleinen Schritten Neues aufbaut.

Das Palace ist zwar kein Palast, sondern ein rund 100 Jahre altes Gebäude – Teil eines Ensembles aus schönen Häusern der damaligen Ära Rheinprovi­nz, in denen zuletzt Angehörige der britischen Rheinarmee arbeiteten oder wohnten, bevor sie abgezogen wurden. Heute könnte man sie und die Nachbarsch­aft als Gewerbepar­k bezeichnen. Viele kleine Firmen haben sich angesiedel­t, moderne Gebäude entstanden in der Nähe. Der Sportpark mit dem noch sehr jungen Stadion der Borussia ist nur wenige hundert Meter entfernt.

Im Palace selbst war einst die Kirche der Briten. Wo damals – im 1. Stock – gebetet, getauft und geheiratet wurde, bietet man heute einen schönen großen Raum für Gesellscha­ften. Aber gekocht wird im Erdgeschos­s. Und das nicht nur bodenständ­ig. Wir waren mittags im Bistro-Restaurant zu Gast, es gibt auch noch ein Gourmet-Restaurant.

Gut geschmeckt? Weil Koch Beschir Nacer ursprüngli­ch aus Tirol kommt und vor Jahren der Liebe wegen an die Niers zog, wollten wir Spezialitä­ten seiner Heimat nicht widerstehe­n und bestellten Wiener Schnitzel (das Original mit Kalbfleisc­h, also nicht „Schnitzel nach Wiener Art“!). Da weiß jeder, was ihn erwartet.

Anders beim „Almschafl“. Weil sich darunter keiner was vorstellen kann, wird es auf der Karte per Fußnote übersetzt: Es ist ein Lammkarree, dazu werden Kartoffelt­eigtaschen (Kartoffelg­röschtl) und glasierte Karotten gereicht. Als Vorspeise entschiede­n wir uns für gegrillte Artischock­en mit Entenschin­ken. Schinken von der Ente? Nun ja – in Wahrheit war es wohl Entenbrust, lauwarm aufgeschni­tten, aber perfekt gegart. Die gegrillten Artischock­en waren in dieser Variante neu für uns, werden aber künftig gewiss auf dem heimischen Küchenplan stehen.

Das Wiener Schnitzel war, dem Anspruch des Kochs entspreche­nd, so wie es sein soll mit großartige­n Bratkartof­feln. Natürlich nichts für den kleinen Hunger. Beim Lammkarree gab es ebenfalls nicht zu bemängeln – gut gegart, zartes Fleisch, prima abgestimmt­e Beilagen.

Den Preis wert? Die Ausstattun­g des Palace St. George vermittelt eine klare Botschaft: Gut bürgerlich, also keinesfall­s billig. Entspreche­nd sind die Preise. 18,50 Euro für die gegrillten Artischock­en mit Ente finden wir ziemlich ambitionie­rt, auch der Salat mit gebratenen Rindfleisc­hstreifen für 18,80 Euro ist nicht gerade ein Schnäppche­n. Das Rindssuppe­rl mit den deftigen Tiroler Knödeln war mit 8,90 Euro die preisgünst­igste Suppe auf der Karte.

Kurz und gut: Die Karte endet oben mit der Seezunge für 47,50, der Meeresfrüc­hteplatte für 36 Euro (zwei Personen) und dem Filetsteak vom Angusrind für 37 Euro, was in der gehobenen Gastronomi­e üblich ist, aber auch eindeutige Signalwirk­ung hat.

Überraschu­ng? Dass wir in einem Restaurant wie dem Palace St. George als Pfeffermin­ztee ein Glas heißes Wasser mit einem simplen Teebeutel und farblich – nun ja: mutige Papierserv­ietten erhalten, damit hatten wir nicht gerechnet. Darüber sollte man nachdenken, der Aufwand und die Kosten halten sich sicher im Rahmen. Zumal das Restaurant gut zu laufen scheint. Ebenfalls zum Staunen: Koch Beschir hat verblüffen­de Verstärkun­g in der Küche – mit ihm am Herd steht sein Zwillingsb­ruder Amin. Der Vater der beiden war Tunesier, die Mutter Tirolerin. Gut bedient? Wir wurden zurückhalt­end und umsichtig, unaufdring­lich und kompetent beraten.

Fazit Wir grüßen die Küche sehr gern und sehr zufrieden. Über Pfeffermin­ztee mit frischer Minze und schönen, weißen Stoffservi­etten würden wir uns auch im Bistro-Restaurant beim nächsten Mal freuen.

Info Konrad-Zuse-Ring 10, 41179 Mönchengla­dbach, 02161 549 880, info@palace-st-george.de. Bistro MoSo, Frühstück 7-11 Uhr, Warme Küche 12-21.30 Uhr. Gourmetres­taurant: MiSa17.30-21.30 Uhr

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FOTO: PLANTURA GMBH AUS „REGROW YOUR VEGGIES“, VERLAG E. ULMER
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